Frank, Suzanne - Die Hüterin von Jericho
tun können? Wieso hatte ausgerechnet ich diese Aufgabe übernehmen müssen? Gott vergebe mir, aber ich wusste wirklich nicht, was ich da tat.
Wie Schafe auf dem Weg zur Schlachtbank folgten sie mir, eine abgerissene Ansammlung meist älterer Frauen und einiger weniger Mädchen. Die Stadt hatte mit festem Griff die wenigen übrig gebliebenen Knaben, die bald ins heiratsfähige Alter kommen würden, und die Frauen mit fruchtbarem Leib zurück-behalten. Ashqelon musste die Möglichkeit zur Wiederbevölkerung bewahren.
Cheftu ging an meiner Seite, stolz und schön trotz der Ketten in seinen Ohren. Ketten, wie ich sie auch bald tragen würde. Das machte mir die meiste Angst - weil es so beängstigend real war. Ich hatte die Narben an seinen Ohren gesehen. Wie Leuchtfeuer, die nie verglimmen würden. Ich streckte die Schultern durch und ging weiter.
Wir hatten die Urim und Thummim geworfen, doch die Antwort war so vage ausgefallen, dass wir uns nur darüber geärgert hatten. »Dienst bedeutet dienen.« Was zum Teufel sollte das heißen? Als immer und immer wieder nur diese Antwort kam, gaben wir schließlich auf. Cheftu zog sich zurück, um die Steine wieder zu verstecken - ich hatte schließlich begriffen, in welchem Geheimversteck sie auch unentdeckt blieben, wenn er sich nackt ausziehen musste. Manchmal war er geradezu ekelhaft schlau.
Vor der Stadt zog sich eine Kette von Hochländern über den gesamten Horizont. Sie standen in Habtachtstellung wie die Rockettes, vollkommen reglos, während der Wind unter ihre Röcke fuhr und die untergehende Sonne in ihren Schilden und den kuppelförmigen Helmen blinkte.
Eindrucksvoll.
Yoav wartete davor, in strahlendes Rot und Grün gekleidet. Ich roch meine Angst, obwohl ich, bevor ich die Stadt verlassen musste, in Zimt und Minze gebadet hatte. Falls ich Ashqelon repräsentierte, hatte Tamera gesagt, während sie mich einkleidete, dann sollten sich die Hochländer für alle Zeit an die Schönheit und Erhabenheit dieser Stadt erinnern.
Mein Gewand war fein gewebt, gefärbt und bestickt. Gold hing an meinem Hals, meinen Schultern und meinen Ohren. Tamera hatte eine aus Goldfäden gewebte Schärpe um meine Stirn gebunden, deren Gold, Blau und Grün von der Schärpe um meine Taille aufgenommen wurde. Hinten an meinem
Kleid war ein kunstvoller Fischmantel befestigt, diesmal mit Schuppen und Flossen aus Stoff. Mein Gesicht, meine Schultern und mein Schlüsselbein waren mit Goldstaubmustern überzogen, die einen Schutzzauber darstellten.
Hatte sich Kleopatra genauso gefühlt, als sie sich herausputzte, ehe sie sich ergab?
Die Schultern zurückgezogen, den bleiglanzumringten Blick fest auf Yoav gerichtet, blieb ich einen Meter vor ihm stehen.
»Du verlangst die Unterwerfung der Ashqeloni«, sagte ich. »So wie du gewünscht hast, sollst du die Hälfte ihrer Felder, die Hälfte der Menschen und ihre Göttin, haDerkato, bekommen. Schwöre, Yoav ben Zerui’a, in heiliger B’rith, dass du diese Gefangenen gerecht und ehrvoll behandeln wirst, dass die Mägde rein bleiben und die Mütter nicht gezüchtigt werden. Schwöre, dass Ashdod unberührt bleiben wird, dass Seren Wa-dia am Leben bleibt, dass Qisilee, Yaffo und Lakshish weder unter dem Schwert noch unter der Fackel leiden müssen. Schwöre all dies, dann werden diese Pelesti dir gehören.«
»Ich schwöre niemals beim Namen meines Gottes«, widersprach er.
»Dann schwöre bei Seinem Fußschemel, eurem Totem.«
Er sah mich wutentbrannt an, biss kurz die Zähne zusammen und brüllte unvermittelt: »Beim Gnadenthron schwöre ich es! Beim Schemel el haShadays, diese Worte sind wahr!«
Cheftus Hand krampfte sich in meine Schärpe. Yoav sah mich mit einem herablassenden Lächeln an.
»Unterwirf dich, Göttin.«
So hoheitsvoll wie nur möglich ging ich in die Knie. Ein Hochländer trat hinter mich, zwei andere an meine Seiten. Yoav ließ sich von N’tan einen Holzhammer und eine Ahle geben. Ich begann unkontrollierbar zu schlottern; ich betete nur, dass Cheftu nicht eingreifen würde.
Wir hatten darüber gesprochen. Es würde hoffentlich nicht viel schlimmer werden, als sich Ohrringe schießen zu lassen.
Ein Mann zog mein Haar zurück, der andere nahm meine Ohrringe ab und reichte sie mir. Die beiden Männer neben mir drückten meine Schultern nach unten und hielten mich bewegungslos auf dem Boden fest.
Eigenartigerweise machte Yoav nicht den Eindruck, als würde ihm das hier Spaß machen. Ich blinzelte wütend die Tränen
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