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Frankenstein

Frankenstein

Titel: Frankenstein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Wollstonecraft Shelley
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Zustand der Erniedrigung nicht wiedererkennen. Selten kehrte die Verzagtheit in mein Herz ein. Ein erhabenes Geschick schien mich vorwärtszutragen, bis ich stürzte, um mich nie, niemals wieder aufzurichten.«
Mußte ich also diesen bewundernswürdigen Menschen verlieren? Ich habe mich nach einem Freund gesehnt, ich habe jemanden gesucht, der mit mir übereinstimmen und mich lieben würde. Sieh, auf dieser öden See habe ich einen gefunden, doch ich fürchte, ich habe ihn nur gewonnen, um seinen Wert schätzenzulernen und ihn wieder zu verlieren. Ich möchte ihn mit dem Leben versöhnen, doch er weist den Gedanken zurück.
    »Ich danke Ihnen, Walton«, sagte er, »für Ihre freundlichen Absichten gegenüber einem so jämmerlichen Wrack, doch wenn Sie von neuen Bindungen und frischer Zuneigung sprechen, meinen Sie, jemand könnte jene ersetzen, die dahingegangen sind? Kann irgendein Mann mir sein, was mir Clerval war, oder irgendeine Frau eine zweite Elisabeth? Sogar wo nicht eine besondere Vortrefflichkeit die Neigung erweckt, besitzen die Gefährten unserer Kindheit stets eine gewisse Macht über unser Gemüt, die ein späterer Freund kaum jemals gewinnen kann. Sie kennen unsere kindlichen Anlagen, die nie gänzlich ausgelöscht werden, welche spätere Veränderung sie auch erfahren mögen. Und sie können unsere Handlungen mit zutreffenderen Schlüssen hinsichtlich der Lauterkeit unserer Beweggründe beurteilen. Eine Schwester oder ein Bruder kann, sofern sich freilich solche Symptome nicht schon sehr früh abgezeichnet haben, den anderen nie des Betrugs oder der Hinterlist verdächtigen, wohingegen man einen anderen, noch so innig verbundenen Freund womöglich wider Willen doch mit Argwohn betrachtet. Doch ich habe Freunde besessen, und sie waren mir lieb nicht nur auf Grund der Gewohnheit des ständigen Umgangs, sondern kraft ihres eigenen Wertes; und wo ich mich auch befinde, wird mir die besänftigende Stimme meiner Elisabeth und das Geplauder Clervals allezeit im Ohr wispern. Sie sind tot, und nur ein einziges Gefühl kann mich in solcher Einsamkeit dazu bewegen, mein Leben zu erhalten. Wäre ich mit einem edlen Vorhaben oder Plan befaßt, der umfassenden Nutzen für meine Mitmenschen verhieße, dann könnte ich weiterleben, um ihn zu vollenden. Doch mein Geschick ist nicht von dieser Art. Ich muß das Wesen, dem ich das Leben gab, verfolgen und vernichten, dann ist mein Los auf Erden erfüllt, und ich darf sterben.«
    2. September
    Meine geliebte Schwester,
ich schreibe Dir, von Gefahr umge
ben und ohne zu wissen, ob es mir je beschieden ist, das liebe
England und die noch lieberen Freunde, die dort wohnen,
wiederzusehen. Ich bin von Eisbergen eingeschlossen, die kein
Entkommen erlauben und jeden Augenblick mein Schiff“ zu
zermalmen drohen. Die tapferen Männer, die ich überredet
habe, mich zu begleiten, erwarten von mir Hilfe, doch ich habe
keine zu geben. Unsere Lage ist schrecklich bedrückend, doch
Mut und Hoffnung verlassen mich nicht. Aber es ist furchtbar,
daran zu denken, daß das Leben all dieser Männer durch mich
in Gefahr ist. Wenn wir zugrunde gehen, sind meine verrückten Pläne die Ursache.
Und wie, Margaret, wird Dir zumute sein? Du wirst nichts
von meinem Untergang erfahren und bange auf meine Rückkehr warten. Jahre werden vergehen, und oft wird Dich die
Verzweiflung überkommen und doch wieder die Hoffnung
martern. Ach, meine geliebte Schwester, das bedrückende Ende Deiner innigen Zuversicht ist für mich in der Vorstellung
schrecklicher als der eigene Tod. Doch Du hast einen Gatten
und liebe Kinder; Du kannst noch glücklich sein. Der Himmel
segne Dich und mache es möglich!
Mein bedauernswerter Gast betrachtet mich mit dem zartesten Mitgefühl. Er gibt sich Mühe, mir Hoffnung zu machen,
und spricht, als wäre das Leben ein Besitz, den er hochschätze.
Er erinnert mich daran, wie oft die gleichen Zwischenfälle anderen Seefahrern zugestoßen sind, die sich in dieses Meer gewagt haben, und erfüllt mich wider besseres Wissen mit optimistischen Erwartungen. Sogar die Seeleute spüren die Macht
seiner Beredsamkeit: wenn er spricht, sind sie nicht mehr
hoffnungslos. Er stachelt ihre Tatkraft an, und solange sie seine Stimme hören, halten sie diese ungeheuren Eisberge für
Maulwurfshügel, die vor der Entschlossenheit des Menschen
weichen werden. Diese Gefühle halten nicht an. Jeder Tag hinausgeschobener Hoffnung erfüllt sie mit Angst, und ich
fürchte beinahe eine durch diese

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