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Frankenstein

Frankenstein

Titel: Frankenstein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Wollstonecraft Shelley
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kein Mitgefühl in meinem Elend. Nie werde ich Sympathie finden. Als ich sie anfangs suchte, war es die Liebe zum Guten, waren es die Gefühle des Glücks und der Zuneigung, von denen mein ganzes Wesen überströmte, an denen ich teilzuhaben wünschte. Doch jetzt, da das Gute für mich zum Schatten geworden ist und das Glücksgefühl und die Zuneigung in bittere und angeekelte Verzweiflung umgeschlagen sind, sollte ich nach Sympathie suchen? Ich begnüge mich damit, allein zu leiden, solange meine Leiden noch dauern. Wenn ich sterbe, ist es mir ganz recht, daß Abscheu und Verachtung auf meinem Andenken lasten. Einst ließ sich meine Phantasie mit Träumen vom Guten, von Ruhm und Lebensfreude beschwichtigen. Einst hoffte ich fälschlich, Wesen zu begegnen, die mir meine äußere Gestalt verzeihen und mich um der vortrefflichen Eigenschaften willen lieben würden, die ich zu entwickeln vermochte. Ich hatte mich mit edlen Gedanken von Ehre und aufopfernder Hingabe genährt. Doch jetzt hat mich das Verbrechen noch unter das gemeinste Tier erniedrigt. Keine Schuld, kein Unheil, keine Bosheit, kein Unglück läßt sich mit dem meinen messen. Wenn ich das furchtbare Verzeichnis meiner Sünden überfliege, kann ich nicht glauben, daß ich dasselbe Geschöpf bin, dessen Gedanken einst von den erhabenen und überirdischen Visionen der Schönheit und Majestät der Güte erfüllt waren. Doch es ist nun einmal so: der gefallene Engel wird zu einem bösartigen Teufel. Doch sogar jener Feind Gottes und der Menschen hatte in seiner Verlassenheit Freunde und Genossen, ich bin allein.
    Du, der Frankenstein seinen Freund nennt, scheinst etwas von meinen Verbrechen und seinen Heimsuchungen zu wissen. Doch bei der Darstellung, die er dir davon gab, konnte er nicht die Stunden und Monate der Pein aufrechnen, die ich, von ohnmächtigen Leidenschaften verzehrt, erduldete. Denn während ich seine Hoffnungen zerstörte, befriedigte ich nicht mein eigenes Begehren. Es blieb beständig, glühend und verlangend; immer noch begehrte ich nach Liebe und Gemeinschaft und wurde unveränderlich zurückgestoßen. Lag darin keine Ungerechtigkeit? Soll ich als der einzige Verbrecher gelten, wo sich doch das ganze Menschengeschlecht gegen mich versündigt hat? Warum haßt du nicht Felix, der seinen Freund mit Beschimpfungen von seiner Tür gejagt hat? Warum verfluchst du nicht den Bauern, der den Retter seines Kindes umzubringen versuchte? Nein, das sind alles anständige und makellose Menschen! Ich, der Unglückliche und Verlassene, bin eine Mißgeburt, die man verachten und mit Fußtritten verjagen und niedertreten kann. Jetzt noch kocht mir das Blut bei der Erinnerung an diese Ungerechtigkeit.
    Aber es ist wahr, daß ich ein Scheusal bin. Ich habe die Lieblichen und die Hilflosen ermordet. Ich habe die Unschuldigen im Schlaf erwürgt und dem, der weder mir noch sonst einem lebenden Wesen je ein Leid zugefügt hatte, die Kehle zugedrückt. Ich habe meinen Schöpfer, das erlesene Muster aller Eigenschaften, die bei den Menschen der Liebe und Bewunderung wert sind, dem Unglück geweiht, ich habe ihn sogar bis in diesen nicht wiedergutzumachenden Untergang verfolgt. Da liegt er, weiß und kalt im Tod. Du haßt mich, aber dein Abscheu kann dem nicht gleichkommen, mit dem ich mich selbst betrachte. Ich blicke die Hände an, die die Taten ausgeführt haben. Ich denke an das Herz, in dem der Plan dazu entstand, und sehne mich nach dem Augenblick, wenn diese Hände sich auf meine Augen legen, wenn diese Idee nicht mehr in meinen Gedanken spukt.
    Fürchte nicht, daß ich das Werkzeug künftigen Unheils sein werde. Mein Werk ist beinahe vollendet. Weder dein noch sonst eines Menschen Tod ist erforderlich, um den Lauf meines Daseins zu beenden und das zu vollbringen, was getan werden muß. Doch es erheischt den meinen. Glaube nicht, daß ich diesen Opfergang lange aufschiebe. Ich werde dein Schiff auf der Eisscholle verlassen, die mich hergebracht hat, und das allernördlichste Ende des Erdballs suchen. Ich werde meinen Scheiterhaufen zusammentragen und diesen elenden Leib zu Asche verbrennen, auf daß seine Überreste keinem neugierigen und verruchten Schurken Aufschlüsse geben können, der ein Wesen schaffen möchte, wie ich es war. Ich werde sterben. Ich werde nicht mehr die Qualen fühlen, die mich jetzt verzehren, oder die Beute unbefriedigter, doch nie verlöschender Gefühle sein. Er ist tot, der mich ins Dasein rief. Und wenn ich nicht mehr bin, wird

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