Frankenstein
berühmte Ballade vom Ancient Mariner (Der alte Seefahrer, 1797), eines der bedeutendsten und charakteristischsten Werke der romantischen Dichtung, das tiefe Spuren im Frankenstein hinterlassen hat, in der Familie Godwin selbst vortrug. Die junge Frau von siebzehn Jahren, die sich im Juli 1814 von Percy Bysshe Shelley (1792 bis 1822), einem der großen Vertreter der englischen Romantik, der schon 1812 die Freundschaft Wiliam Godwins gesucht und gefunden hatte, entführen ließ und mit ihm zu jener ersten romantischen Reise nach dem Kontinent aufbrach, die nach wenigen Wochen aus Geldmangel abgebrochen werden mußte, war bereits hochgebildet, literarisch vielseitig interessiert und fest entschlossen, schriftstellerisch tätig zu sein.
Das Leben mit dem bereits seit 1811 unglücklich mit Harriet Westbrook verheirateten Shelley war alles andere als bürgerlich-konventionell, stets ruhelos, auf Grund von Shelleys extrem selbstloser Hilfsbereitschaft von endlosen finanziellen Sorgen belastet und von großem persönlichem Leid überschattet. Im Februar 1815 stirbt ihr erstes Kind kurz nach der Geburt. Im Januar 1816 wird William Shelley geboren, und wenige Monate später folgt die zweite Reise auf das Festland. Während des Aufenthaltes am Genfer See vom Mai bis August 1816 finden in Byrons Villa Diodati jene Gespräche statt, die zur Idee des Frankenstein und zum ersten Entwurf der Geschichte führen. Mary Shelley beendete den Roman im Mai 1817, und nachdem ihn mehrere Verleger, darunter der bekannte Murray, abgelehnt hatten, wurde er im März 1818 veröffentlicht. In die Zeit zwischen der Rückkehr aus der Schweiz und diesem März 1818, als die Shelleys erneut England verließen und nach Italien gingen, fallen die Selbstmorde von Marys Stiefschwester Fanny Imlay und von Harriet Westbrook, die Heirat mit Shelley am 30. Dezember 1816 und die Geburt einer Tochter Clara im September 1817.
Während eines unruhigen Wanderlebens in Italien, dessen Hauptstationen Venedig, Florenz, Rom, Neapel und Pisa sind, sterben die beiden Kinder, zunächst die Tochter Clara im September 1818, dann William im Juni 1819. Hatte schon der Tod Claras ihre seelische Kraft erschüttert, so war der Verlust des dreijährigen William ein Schlag, der sie in tiefe Verzweiflung stürzte und zu Depressionen führte, welche die vollkommene Kameradschaft und tiefe Liebe zwischen ihr und Shelley harten Belastungen aussetzte. Drei Jahre später, im Juli 1822, ertrank Shelley bei einer Segelfahrt im Golf von Genua, während sie selbst an den Folgen einer lebensgefährlichen Fehlgeburt litt.
Mary Shelley war noch nicht 26 Jahre alt, als sie im Juli 1823 nach England zurückkehrte. Von ihrer Familie war ihr nur ein Kind geblieben, der im November 1819 geborene Percy Florence, welcher 1844 nach dem Tode von Shelleys Vater, Sir Timothy, den Adelstitel und die Besitzungen der Shelleys erbte. Mary Shelley heiratete nicht wieder. Sie lebte zwanzig Jahre lang von ihrer Tätigkeit als Schriftstellerin und einer kargen Rente. Am 1. Februar 1851 starb sie.
Ihre zwischen 1823 und 1837 erschienenen Romane sind heute sicher zu Recht vergessen; lebendig geblieben ist ihr Name vor allem dadurch, daß sie die Frau des großen romantischen Dichters war, die sich um die Bewahrung und Pflege seines Werkes als Herausgeberin verdient gemacht hat – und eben durch jenes Buch, dessen Titel über den angelsächsischen Bereich hinaus zu einem kulturgeschichtlichen Begriff geworden ist.
Mit Frankenstein war Mary Shelley schon zur Zeit ihrer Rückkehr aus Italien zu eigenständigem literarischem Ruhm gelangt, den sie in einem Brief an Leigh Hunt vom 9. September 1823 selbst registriert: »Aber siehe da! Ich war berühmt. Frankenstein hatte ungeheuren Erfolg als Schauspiel und wurde im ›English Opera House‹ gerade zum 23. Mal gegeben.« Sie berichtet auch von der »atemlosen Spannung«, mit der das Publikum der Aufführung folgte, eine Spannung, für deren Aufrechterhaltung bis weit in unser Jahrhundert hinein die Theater- und Filmleute die Erfindung immer neuer Versionen der Geschichte, vor allem ihres Ausgangs, für notwendig erachtet haben. Elisabeth Nitchie schreibt in ihrer Biographie aus dem Jahre 1953: »Das Monster hatte anscheinend so viele Leben wie eine Katze, und jedes Leben verlangte ein anderes Ende. 1823, im ›English Opera House‹, ging es in einer Lawine zugrunde, im ›Coburg‹ in einer brennenden Kirche. 1826 wurde es in Paris und im ›West London
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