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Frankenstein

Frankenstein

Titel: Frankenstein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Wollstonecraft Shelley
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Leidenschaft zu gehorchen.
    »Auch das ist mein Opfer!« rief er. »Mit seiner Ermordung sind meine Verbrechen vollbracht. Der elende Lauf meines Daseins hat sein Ende erreicht! O Frankenstein! Edelmütiger und aufopfernder Mensch! Was nützt es, daß ich dich jetzt bitte, mir zu verzeihen? Ich, der dich unwiderruflich umgebracht hat, indem ich alle umbrachte, die du liebtest. Ach! Er ist erkaltet, er kann mir nicht antworten.«
    Seine Stimme klang erstickt. Mein erster Impuls hatte mich zur Erfüllung meiner Pflicht gedrängt, dem letzten Wunsch meines Freundes zu gehorchen und seinen Feind zu töten, doch stockte ich jetzt in einer Mischung aus Neugier und Mitgefühl. Ich näherte mich diesem ungeheuren Wesen. Ich wagte noch nicht einmal, meine Augen zu seinem Gesicht zu erheben, seine Häßlichkeit hatte etwas so Angsteinflößendes und Unirdisches an sich. Ich wollte sprechen, doch die Worte erstarben mir auf den Lippen. Das Ungeheuer fuhr fort, wilde und abgerissene Selbstvorwürfe auszustoßen. Schließlich raffte ich soviel Mut zusammen, um ihn während einer Pause im Sturm seiner Leidenschaft anzusprechen: »Deine Reue«, sagte ich, »ist jetzt überflüssig. Hättest du auf die Stimme des Gewissens gehört und den Stachel der Reue beachtet, ehe du deine teuflische Rache bis zum Äußersten getrieben hattest, wäre Frankenstein noch am Leben.«
    »Träumst du denn?« gab der Dämon zurück, »glaubst du denn, ich sei damals für Pein und Reue empfindungslos gewesen? – Er«, fuhr er fort und wies auf den Leichnam, »er hat bei der Vollendung der Tat – ach! nicht den zehntausendsten Teil der Qual gelitten, die mich während des langwierigen Vorgangs ihrer Ausführungen erfüllte. Eine fürchterliche Selbstsucht trieb mich vorwärts, während mein Herz von Reue vergiftet war. Meinst du, Clervals Stöhnen wäre Musik in meinen Ohren gewesen? Mein Herz war dazu gebildet und geschaffen, für Liebe und Sympathie empfänglich zu sein. Und als es das Unglück zu Bosheit und Haß verbildete, nahm es die gewaltsame Veränderung nur unter solchen Folterqualen hin, wie du sie dir nicht einmal vorstellen kannst.
    Nach dem Mord an Clerval kehrte ich in die Schweiz zurück, mit gebrochenem Herzen und verzweifelt. Ich bemitleidete Frankenstein, mein Mitleid steigerte sich zu Abscheu: ich verabscheute mich selbst. Doch als ich entdeckte, daß er, der Urheber zugleich meines Daseins und dessen unaussprechlichen Elends, auf Glück zu hoffen wagte, daß er, während er Leid und Verzweiflung auf mich häufte, selbst sein Glück in Gefühlen und Leidenschaften suchte, deren Genuß mir für immer verwehrt war, da erfüllten mich machtloser Neid und bittere Empörung mit einem unersättlichen Rachedurst. Ich entsann mich meiner Drohung und beschloß, sie auszuführen. Ich wußte, daß ich damit für mich selbst eine tödliche Folter vorbereitete. Doch ich war der Sklave, nicht der Gebieter eines Impulses, den ich verabscheute und dem ich doch gehorchen mußte. Aber als sie starb! – nein, damals war ich nicht unglücklich. Ich hatte jedes Fühlen abgestreift, jede Qual unterdrückt, um im Übermaß meiner Verzweiflung zu schwelgen. Von nun an wurde das Böse für mich das Gute. Hatte es mich erst einmal so weit getrieben, blieb mir keine andere Wahl, als meine Natur dem Element anzupassen, das ich freiwillig gewählt hatte. Die Vollendung meines teuflischen Planes wurde zu einer unstillbaren Leidenschaft. Und jetzt ist er am Ende: dort liegt mein letztes Opfer!«
    Anfangs war ich von der Darstellung seines Unglücks ergriffen. Doch als ich mir in Erinnerung rief, was Frankenstein über seine Macht der Beredsamkeit und Überredungskünste gesagt hatte, und als ich wieder die Augen auf die leblose Hülle meines Freundes richtete, flammte die Entrüstung erneut in mir auf. »Scheusal!« rief ich, »du hast gut herkommen, um über die Verheerung zu winseln, die du angerichtet hast. Du wirfst eine Fackel in die Häuser, und wenn sie niedergebrannt sind, sitzt du in den Ruinen und bejammerst ihren Untergang. Heuchlerischer Unhold! Wäre er, den du betrauerst, noch am Leben, wäre er immer noch das Ziel, würde er wieder die Beute deiner verfluchten Rache. Nicht Mitleid fühlst du. Du klagst nur, weil das Opfer deiner Bosheit jetzt deiner Macht entzogen ist.«
    »Ach, so ist es nicht – so nicht«, unterbrach mich das Wesen, »doch solch einen Eindruck muß dir das verschaffen, was der Sinn meiner Taten zu sein scheint. Doch ich suche

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