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Frankenstein

Frankenstein

Titel: Frankenstein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Wollstonecraft Shelley
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Theatre‹ vom Blitzstrahl getroffen. Im ›Coburg‹ sprang es in den Krater des Ätna, im ›English Opera House‹ starb es in einem arktischen Sturm. Im 20. Jahrhundert beging es 1927 auf der Bühne Selbstmord, indem es von einer Klippe sprang, und 1933 wurde es erschossen. Auf der Leinwand wurde es im ersten Frankensteinfilm augenscheinlich in einer brennenden Mühle vernichtet, im zweiten durch eine Explosion – nur um wieder lebendig zu werden und wieder zugrunde zu gehen: in einem Tümpel kochenden Schwefels, und zum Schluß… kam es als Gespenst zurück.«
    Der Frankenstein würde demnach eindeutig zur Tradition der »gotischen« Schreckens- und Schauerromane gehören, die mit Horace Walpoles Castle of Otranto (1765) einsetzte und über Clara Reeve (The Old English Baron, 1777), Mrs. An Radcliffe (The Mysteries of Udolpho, 1794) und dem berühmtberüchtigten »Monk« (Matthew Gregory) Lewis (The Monk, 1795), der einige Tage vor dem denkwürdigen Gespräch im August 1816 in der Villa Diodati zu Gast war, bis, zu Charles Robert Maturin (Melmoth the Wanderer, 1820) reicht; er wäre also Teil jener weitgehend trivialliterarischen Woge des Übernatürlichen, Grauenvoll-Gräßlichen und AbgründigVerbrecherischen, die, von England kommend, sich über den Kontinent ergoß, besonders Deutschland widerstandslos überspülte und von dort als »German Horror« nach den britischen Inseln zurückflutete.
    In merkwürdigem und scharfem Widerspruch zu einer solchen Auffassung, die Mary Shelley im Jahre 1831 selbst zu teilen scheint, steht das 1817 von Shelley verfaßte und zweifellos von seiner Frau gebilligte Vorwort, das die Respektierung der Wahrheit der elementaren Gesetze der menschlichen Natur und die Vermeidung der entnervenden Wirkungen der zeitgenössischen Romane ins Zentrum der künstlerischen Absicht rückt. Gewiß, Frankenstein ist nicht nur von den Umständen her, unter denen die Idee geboren wurde, mit der schauerromantischen Tradition des »gotischen« Romans verknüpft. Er ist ihr in manchen Details und Handlungszügen, vor allem aber in atmosphärischer Hinsicht weitgehend verpflichtet. Jener entsetzliche Alptraum Frankensteins in der Nacht der Schöpfung, in dem sich in seinen Armen und unter seinem Kuß die Gestalt Elisabeths in den verwesenden Körper seiner Mutter verwandelt und er in den Falten des Leichentuches die Würmer kriechen sieht, könnte durchaus dem Kult des morbiden Interesses an Verfall und Verwesung bei »Monk« Lewis entstammen und in seinen Klostergrüften geträumt worden sein. Von der zentralen Idee und ihrer Durchführung her gesehen aber gehört der Roman ebensowenig in diese Tradition wie William Godwins Caleh Williams (1794), der Mary Shelley offensichtlich als Muster gedient und dessen Schluß sie mit dem uns heute nur schwer verständlichen Reuebekenntnis des Monsters über dem Leichnam Frankenstein getreulich und zum Schaden einer künstlerisch überzeugenden Lösung des Konflikts kopiert hat. Von dieser Idee ist in den meisten Bearbeitungen so gut wie nichts übriggeblieben, in manchen wurde sie auch direkt ins Gegenteil verkehrt. Man denke nur an die erste Verfilmung mit Boris Karloff aus dem Jahre 1931, in der dem Monster das Gehirn eines hingerichteten Verbrechers eingepflanzt wird!
    Denn das Monster ist eben nicht von vornherein und ursprünglich böse, es hat keine angeborene Veranlagung oder Neigung zum Verbrechen, zum asozialen Selbstausschluß aus der Gemeinschaft. Es verkörpert das rousseauistische, in der englischen Romantik so überaus lebendige Bekenntnis, daß der Mensch von Natur gut sei, und es ist eine späte Variante des Edlen Wilden, jener Lieblingsvorstellung einer großen Strömung in der Aufklärung des 18. Jahrhunderts, die in die progressiv-revolutionäre, ihrem Wesen nach antibürgerliche Vorstellungswelt der romantischen Dichter mündet. Das Monster ist nach zwei Jahren der geistig-moralischen Bildung bei den De Laceys ein Muster an Tugend, gütig, warmherzig, von selbstloser Hilfsbereitschaft, ein Wesen, dessen Seele vor Liebe und Menschlichkeit glüht und sich mit Ekel und Abscheu von den Lastern und Verbrechen dieser verderbten Welt abwendet. Dieser Mensch wird böse, weil man ihm als sozialem Wesen die Erfüllung seines unabdingbaren Lebens- und Glücksanspruchs in der Gemeinschaft verweigert und er damit zu grenzenlosem Unglück verurteilt wird. Die Maßlosigkeit seiner Rache entspricht der Maßlosigkeit des ihm zugefügten Unrechts. Das

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