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Frankenstein

Frankenstein

Titel: Frankenstein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Wollstonecraft Shelley
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ich am Ufer eines Baches und ruhte mich aus, bis ich mich von Hunger und Durst geplagt fühlte. Das weckte mich aus meinem fast schlafenden Zustand, und ich aß Beeren, die ich an den Bäumen oder auf der Erde fand. Meinen Durst löschte ich am Bach. Dann legte ich mich nieder, und der Schlaf übermannte mich.
    Als ich erwachte, war es dunkel. Mir war auch kalt und, sozusagen instinktiv, halb ängstlich zumute, als ich mich so verlassen fand. Bevor ich die Wohnung verlassen hatte, hatte ich mich auf ein Kältegefühl hin mit etlichen Kleidungsstücken bedeckt, doch reichten diese nicht aus, um mich vor dem Nachttau zu schützen. Ich war ein armes, hilfloses, klägliches Ding. Ich kannte und erkannte nichts, doch spürte ich, wie mich von allen Seiten Schmerz überflutete, setzte mich hin und weinte.
Bald stahl sich ein matter Schein über den Himmel und erfüllte mich mit einem wonnigen Gefühl. Ich sprang auf und sah ein leuchtendes Gebilde zwischen den Bäumen aufgehen 1 . Ich starrte voll Verwunderung. Es bewegte sich langsam, aber es beleuchtete meinen Pfad, und ich machte mich wieder auf die Suche nach Beeren. Mir war immer noch kalt, als ich unter einem der Bäume einen weiten Mantel fand, und so hüllte ich mich hinein und setzte mich auf die Erde. Meinen Geist beschäftigten keine klaren Gedanken, alles war verworren. Ich empfand Licht und Hunger und Durst und Dunkelheit. Unzählige Geräusche drangen an meine Ohren, und von allen Seiten erregten mich verschiedene Gerüche. Der einzige Gegenstand, den ich abzugrenzen vermochte, war der helle Mond, und auf ihn heftete ich mit Freuden meine Augen.
    Mehrmals wechselten Tag und Nacht einander ab, und das Gestirn der Nacht hatte sich stark vermindert, als ich meine Wahrnehmungen voneinander zu unterscheiden begann. Nach und nach sah ich deutlich den klaren Wasserlauf, der mir zu trinken gab, und die Bäume, die mich mit ihrem Laub beschatteten. Ich war beglückt von der Entdeckung, daß ein angenehmer Klang, der oft meinen Ohren schmeichelte, aus der Kehle der kleinen geflügelten Tiere kam, die so oft zwischen dem Licht und meinen Augen durchgehuscht waren. Ich betrachtete nun auch genauer die Formen, die mich umgaben, und bemerkte die Grenzen des leuchtenden Domes, der sich über mir wölbte. Manchmal versuchte ich den hübschen Gesang der Vögel nachzuahmen, es gelang mir aber nicht. Manchmal wollte ich meine Gefühle auf meine eigene Art ausdrücken, doch die rauhen und unartikulierten Laute, die aus mir herausbrachen, erschreckten mich so, daß ich wieder schwieg.
    1 Der Mond
    Der Mond war aus der Nacht verschwunden und zeigte sich wieder in verschmälerter Gestalt, während ich mich immer noch in dem Wald aufhielt. Meine Wahrnehmungen waren inzwischen deutlich geworden, und mein Geist nahm täglich zusätzliche Begriffe auf. Meine Augen gewöhnten sich an das Licht und nahmen die Gegenstände in ihrer richtigen Gestalt wahr. Ich unterschied das Insekt von der Pflanze und allmählich die eine Pflanze von der anderen. Ich bekam heraus, daß der Sperling nur schrille Töne ausstieß, während die der Amsel und der Singdrossel süß und bezaubernd waren.
    Eines Tages, als mir die Kälte schwer zu schaffen machte, stieß ich auf ein Feuer, das wandernde Bettler zurückgelassen hatten, und war außer mir vor Freude, welche Wärme ich daran verspürte. In meinem Glück steckte ich die Hand in die rote Glut, riß sie aber mit einem Schmerzensschrei zurück. Wie seltsam, dachte ich, daß die gleiche Ursache so gegensätzliche Wirkungen hervorbringt! Ich untersuchte die Grundstoffe des Feuers und entdeckte erfreut, daß es aus Holz bestand. Rasch sammelte ich mehrere Zweige, aber sie waren naß und wollten nicht brennen. Das machte mich traurig, und ich blieb still sitzen und beobachtete, wie das Feuer wirkte. Das nasse Holz, das ich in die Nähe der heißen Zone gelegt hatte, trocknete ab und fing selbst Feuer. Ich ließ mir das durch den Kopf gehen. Und indem ich die verschiedenen Zweige berührte, bekam ich den Grund heraus und begann fleißig eine große Menge Holz zu sammeln, um es zu trocknen und einen reichlichen Vorrat an Brennmaterial zu haben. Als die Nacht hereinbrach und den Schlaf mitbrachte, hatte ich größte Angst, mein Feuer könne verlöschen. Ich deckte es sorgfältig mit trockenem Holz und Laub ab und legte nasse Zweige darüber; dann breitete ich meinen Mantel aus, legte mich auf die Erde und schlief ein.
    Es war Morgen, als ich erwachte, und

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