Frankenstein
meine erste Sorge war, das Feuer zu untersuchen. Ich deckte es auf, und eine sanfte Brise fachte es rasch zur Flamme an. Auch das beobachtete ich und machte mir aus Zweigen einen Fächer zurecht, mit dem ich die Glut anfachte, wenn sie fast erloschen war. Als es wieder Nacht wurde, merkte ich beglückt, daß das Feuer außer der Wärme auch Licht spendete und daß die Entdeckung dieses Elements mir bei meiner Ernährung behilflich war. Denn etliche Rückstände, die die fahrenden Leute dagelassen hatten, fand ich gebraten, und sie schmeckten viel leckerer als die Beeren, die ich von den Bäumen sammelte. Ich versuchte deshalb, meine Nahrung ebenso zuzubereiten, indem ich sie auf die rote Glut legte. Dabei stellte ich fest, daß die Beeren bei dieser Behandlung verdarben und die Nüsse und Wurzeln wesentlich gewannen.
Die Nahrung wurde aber knapp; und oft brachte ich den ganzen Tag mit der vergeblichen Suche nach ein paar Eicheln zu, um den grimmigsten Hunger zu stillen. Als mir das klar wurde, beschloß ich die Stätte zu verlassen, wo ich mich bis dahin aufgehalten hatte, und einen Platz zu suchen, wo sich meine wenigen Bedürfnisse leichter befriedigen ließen. Bei diesem Aufbruch bedauerte ich am schmerzlichsten den Verlust des Feuers, das mir ein Zufall in die Hände gespielt hatte und das ich nicht neu hervorzubringen verstand. Viele Stunden verbrachte ich damit, dieses Problem zu überdenken. Doch mußte ich schließlich jeden Versuch aufgeben, mich mit Feuer zu versehen, hüllte mich in meinen Mantel und schritt quer durch den Wald in Richtung der untergehenden Sonne. Drei Tage verbrachte ich mit dieser Wanderung und gelangte endlich ins offene Land. In der Nacht vorher hatte es stark geschneit, und die Felder waren einförmig weiß. Es wirkte trostlos, und ich merkte, daß die kalte, feuchte Substanz, die den Boden bedeckte, meine Füße erstarren ließ.
Es war gegen sieben Uhr morgens, und mich verlangte nach Nahrung und Obdach. Endlich entdeckte ich an einem flachen Hang eine kleine Hütte, die man zweifellos als Unterkunft für einen Hirten errichtet hatte. Das war für mich ein neuer Anblick, und ich musterte den Bau mit großer Neugier. Da ich die Tür offen fand, trat ich ein. Drin saß ein alter Mann an einem Feuer, auf dem er gerade sein Frühstück zubereitete. Als er ein Geräusch hörte, drehte er sich um; bei meinem Anblick schrie er laut auf, stürzte aus der Hütte und rannte mit einer Geschwindigkeit über die Felder, die man seinem entkräfteten Körper kaum zugetraut hätte. Sein Äußeres, ganz anders als alles, was ich bisher gesehen hatte, und seine Flucht überraschten mich etwas. Aber ich war von der Hütte begeistert: hier konnten Schnee und Regen nicht eindringen; der Boden war trocken, und sie erschien mir damals als eine so herrliche und köstliche Zuflucht wie den Höllenteufeln nach ihren Qualen im Feuermeer das Inferno. Gierig verschlang ich die Reste vom Frühstück des Hirten, die aus Brot, Käse, Milch und Wein bestanden; letzterer schmeckte mir aber nicht. Dann legte ich mich, von Müdigkeit überwältigt, in einen Strohhaufen und schlief ein.
Als ich erwachte, war es Mittag, und von der Wärme der Sonne verlockt, die hell auf die weiße Erde schien, beschloß ich meine Wanderung fortzusetzen. Ich packte die Reste vom Frühstück des Landmanns in einen Beutel, den ich gefunden hatte, und schritt stundenlang über die Felder, bis ich bei Sonnenuntergang ein Dorf erreichte. Wie wundersam es mir vorkam! Die Hütten, die schmuckeren Katen und die stattlichen Häuser erregten abwechselnd meine Bewunderung. Das Gemüse in den Gärten, die Milch und der Käse, die ich in den Fenstern einiger Katen sah, reizten meinen Appetit. Ich trat in eine der besseren ein. Aber kaum hatte ich den Fuß über die Schwelle gesetzt, da kreischten die Kinder auf, und eine Frau fiel in Ohnmacht. Das ganze Dorf geriet in Aufruhr. Manche flüchteten, manche griffen mich an, bis ich, von Steinen und vielen anderen Wurfgeschossen arg zerschunden, ins offene Land entkam und mich angsterfüllt in einen niedrigen Schuppen flüchtete, ganz leer und nach den Palästen, die ich im Dorf gesehen hatte, ein erbärmlicher Anblick. Dieser Schuppen lehnte sich an eine reinliche und schmucke Kate; doch nach meiner kürzlichen, teuer erkauften Erfahrung wagte ich nicht, diese zu betreten. Mein Zufluchtsort war aus Holz gezimmert, aber so niedrig, daß ich nur mit Mühe aufrecht darin sitzen konnte. Zwar war die Erde,
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