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Frankenstein

Frankenstein

Titel: Frankenstein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Wollstonecraft Shelley
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irgendeine Weise behilflich zu sein.‹
    ›Edler Mann! Ich danke Ihnen und nehme Ihr großmütiges Anerbieten an. Kraft Ihres Beistands heben Sie mich aus dem Staub auf. Und ich vertraue darauf, daß ich mit Ihrer Hilfe nicht aus der Gesellschaft vertrieben und vom Mitgefühl Ihrer Mitmenschen ausgeschlossen werde.‹
    ›Das verhüte der Himmel!, selbst wenn Sie wirklich schuldig wären, denn das kann Sie nur zur Verzweiflung treiben und Sie nicht zu einem rechtschaffenen Leben ermutigen. Auch ich habe Unglück gehabt; ich und meine Familie sind, wiewohl unschuldig, verurteilt worden. Machen Sie sich also selbst ein Bild, ob ich Ihr Mißgeschick nicht mitempfinde.‹
    ›Wie kann ich Ihnen danken, mein bester und einziger Wohltäter? Von Ihren Lippen habe ich zum ersten Mal Worte vernommen, mit denen sich die Stimme der Güte an mich richtete. Ich werde Ihnen ewig dankbar sein, und Ihre menschliche Großmut verheißt mir den Erfolg auch bei jenen Freunden, denen ich bald begegnen werde.‹
    ›Darf ich den Namen und die Wohnung dieser Freunde erfahren?‹
Ich ließ eine Pause eintreten. Das, dachte ich, war der Augenblick der Entscheidung, der mir für alle Zeit das Glück entreißen oder schenken würde. Ich rang vergeblich um genügend Festigkeit, um ihm zu antworten, doch die Anstrengung raubte mir die letzte Kraft. Ich sank auf den Stuhl und schluchzte laut. In dem Moment hörte ich die Schritte meiner jüngeren Beschützer. Ich hatte keinen Augenblick zu verlieren. Vielmehr ergriff ich die Hand des Alten und rief:
›Die Zeit ist gekommen! – Retten und schützen Sie mich! Sie und Ihre Familie sind die Freunde, die ich suche. Verlassen Sie mich nicht in der Stunde der Prüfung!‹ ›Großer Gott!‹ rief der alte Mann. ›Wer sind Sie?‹ In dem Moment ging die Tür der Kate auf, und Felix, Safie und Agathe kamen herein. Wer kann ihr Grauen und ihre Bestürzung beschreiben, als sie mich erblickten? Agathe wurde ohnmächtig, und Safie, unfähig, ihrer Freundin beizustehen, stürmte aus der Kate. Felix sprang vor und riß mich mit übernatürlicher Kraft von seinem Vater los, an dessen Knie ich mich klammerte: außer sich vor Wut warf er mich zu Boden und schlug heftig mit einem Stock auf mich ein. Ich hätte ihn in Stücke reißen können wie der Löwe die Antilope. Doch das Herz sank mir in bitterem Leid, und ich hielt mich zurück. Ich sah ihn zu einem neuen Schlag ausholen, als ich von Schmerz und Qual übermannt die Kate verließ und im allgemeinen Aufruhr unbemerkt in meinen Stall entkam.

Sechzehntes Kapitel
    Dreimal verfluchter Schöpfer! Warum blieb ich am Leben? Warum habe ich in jenem Augenblick nicht den Lebensfunken ausgelöscht, den du mir so mutwillig eingegeben hattest? Ich weiß es nicht. Die Verzweiflung hatte noch nicht von mir Besitz ergriffen. Meine Gefühle waren die der Wut und Rache. Mit Freuden hätte ich die Kate und ihre Bewohner zerstört und mich an ihrem Kreischen und ihrem Jammer weiden können.
Mit Einbruch der Nacht verließ ich mein Versteck und streifte durch den Wald; und jetzt, da mich die Angst vor der Entdeckung nicht mehr zurückhielt, ließ ich meiner Qual mit furchtbarem Geheul freien Lauf. Ich war wie ein wildes Tier, das die Treiberkette durchbrochen hat, zerstörte alles, was mir im Wege stand, und streifte mit der Schnelligkeit des Hirsches durch den Wald. O welche elende Nacht ich verbrachte! Die kalten Sterne blinkten höhnisch, und die kahlen Bäume schwenkten ihre Äste über mir. Dann und wann klang in der allgemeinen Stille eine süße Vogelstimme auf. Alle außer mir ruhten oder freuten sich des Lebens. Ich trug, wie der Erzteufel, eine Hölle in mir; und da ich wahrnahm, daß niemand mit mir sympathisierte, hätte ich die Bäume ausreißen, Ödnis und Vernichtung um mich verbreiten und mich dann hinsetzen und an dem Ruin weiden mögen.
    Doch das war eine Hingabe an Gefühle, die nicht anhalten konnten; das Übermaß der körperlichen Anstrengung ermüdete mich, und ich sank in der kraftlosen Ohnmacht der Verzweiflung auf das feuchte Gras. Unter den Myriaden Menschen, die auf Erden lebten, war keiner, der mich bedauern oder mir beistehen würde; und sollte ich Zuneigung für meine Feinde empfinden? Nein! von diesem Augenblick an erklärte ich der Gattung für alle Zeit den Krieg, und vor allen anderen dem, der mich geschaffen und in diesem unerträglichen Elend ausgesetzt hatte.
    Die Sonne ging auf. Ich hörte Menschenstimmen und wußte, daß es für diesen

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