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Frankenstein

Frankenstein

Titel: Frankenstein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Wollstonecraft Shelley
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intuitiven Scharfsinn, eine rasche, doch nie versagende Urteilskraft, eine Einsicht in die Ursachen der Dinge, die an Klarheit und Präzision ihresgleichen sucht; füge dazu noch eine Gewandtheit des Ausdrucks und eine Stimme, deren wechselnder Tonfall seelenberückende Musik ist.
    19. August 17.
    Gestern sagte mir der Fremde: »Captain Walton, Sie werden wohl ohne Mühe erkennen, daß ich großes und beispielloses Unglück erlitten habe. Ich hatte einmal beschlossen, die Erinnerung an dieses Unheil solle mit mir sterben. Sie haben mich jedoch dazu gebracht, meinen Entschluß zu ändern. Sie suchen nach Wissen und Weisheit, wie ich früher einmal; und ich hoffe inbrünstig, daß die Erfüllung Ihrer Wünsche nicht zu einer Schlange wird, die Sie vergiftet, wie es bei mir der Fall war. Ich weiß nicht, ob die Schilderung meiner Mißgeschicke Ihnen von Nutzen sein wird; doch wenn ich bedenke, daß Sie denselben Kurs steuern, sich denselben Gefahren aussetzen, die mich zu dem gemacht haben, was ich bin, kann ich mir vorstellen, daß Sie vielleicht aus meiner Geschichte die richtige Lehre ziehen, die Sie leitet, wenn Ihnen Ihr Unternehmen gelingt, und Sie im Falle eines Mißerfolgs tröstet. Bereiten Sie sich darauf vor, von Geschehnissen zu hören, die man gemeinhin wundersam nennt. Befänden wir uns inmitten der gemäßigteren Szenen der Natur, würde ich auf Ihren Unglauben, vielleicht auf Ihren Spott zu stoßen fürchten, doch in diesen wilden und geheimnisvollen Regionen werden viele Dinge möglich erscheinen, die bei jenen Gelächter erregen würden, die die ewigwechselnden Kräfte der Natur nicht kennen: ich bezweifle auch nicht, daß mein Bericht in seinem Verlauf selbst den inneren Beweis für die Wahrheit der Ereignisse liefert, aus denen er sich aufbaut.«
    Du kannst Dir wohl vorstellen, daß mich die Ankündigung seiner Enthüllung sehr freute; doch konnte ich den Gedanken nicht ertragen, daß er sein Leid durch eine Schilderung seiner Mißgeschicke neu anfachte. Ich brannte darauf, die verhießene Erzählung zu hören, teils aus Neugier und teils aus dem heftigen Verlangen, sein Los zu erleichtern, falls es in meiner Macht stünde. In meiner Antwort gab ich diesen Regungen Ausdruck.
    »Ich danke Ihnen«, antwortete er, »für Ihre Anteilnahme, aber sie ist für mich ohne Nutzen; mein Schicksal hat sich nahezu erfüllt. Ich warte nur noch auf ein bestimmtes Ereignis, und dann kann ich in Frieden ruhen. Ich verstehe Ihre Gefühle«, fuhr er fort, da er bemerkte, daß ich ihm ins Wort fallen wollte, »doch Sie irren sich, mein Freund, wenn Sie mir erlauben, Sie so zu nennen; nichts kann mein Schicksal abändern: hören Sie meine Geschichte an, und Sie werden erkennen, wie unwiderruflich es bestimmt ist.«
    Dann erklärte er, er werde seinen Bericht am nächsten Tag beginnen, sobald ich Muße dazu hätte. Auf dieses Versprechen antwortete ich mit wärmstem Dank. Ich habe mir vorgenommen, jeden Abend, wenn meine Pflichten mich nicht zwingend in Anspruch nehmen, so getreu wie möglich in seinen eigenen Worten aufzuschreiben, was er tagsüber erzählt hat. Falls Abhaltungen eintreten, will ich mir wenigstens Notizen machen. Diese Aufzeichnungen werden Dir zweifellos große Freude machen; aber ich, der ich ihn kenne und alles von seinen eigenen Lippen höre, mit welchem Interesse und welcher Anteilnahme werde ich es eines künftigen Tages lesen! Schon jetzt, wo ich meine Aufgabe beginne, klingt mir seine wohltönende Stimme in den Ohren; seine strahlenden Augen ruhen mit all ihrer melancholischen Liebenswürdigkeit auf mir; ich sehe seine magere Hand in einer lebhaften Geste erhoben, während seine Gesichtszüge im Abglanz seiner Seele leuchten. Seltsam und herzzerreißend muß seine Geschichte sein, furchtbar der Sturm, der das stolze Schiff auf seinem Kurs erfaßte und zum Wrack machte – auf solche Weise!

Erstes Kapitel
    Ich bin in Genf geboren; meine Familie gehört zu den vornehmsten dieser Republik. Über viele Jahre hinweg waren meine Vorfahren Ratsherren und hohe Beamte; mein Vater hatte in Ehre und Ansehen mehrere Ämter bekleidet. Alle, die ihn kannten, achteten ihn wegen seiner Lauterkeit und unermüdlichen Hingabe an die öffentlichen Belange. Seine jüngeren Jahre widmete er gänzlich den Angelegenheiten, seines Landes; verschiedene Umstände hatten ihn daran gehindert, jung zu heiraten, und erst in reiferen Jahren wurde er Ehemann und Familienvater. Da das Zustandekommen seiner Heirat ein

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