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Frankenstein oder Der moderne Prometheus

Frankenstein oder Der moderne Prometheus

Titel: Frankenstein oder Der moderne Prometheus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Shelley
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Blutdurst
und seine unerbittliche Rachsucht stillen würde. Der Gedanke
erfüllte mich mit so furchtbarer Angst und mit solchem Entsetzen,
daß noch jetzt, da sich schon der Vorhang über meiner Tragödie zu
senken beginnt, mein Blut erstarrt.
    Stunde um Stunde kroch so in tödlicher Langeweile dahin. Die
Sonne näherte sich dem Horizont; der Wind flaute ab und die See
begann sich zu glätten. Aber an die Stelle der rollenden Wogen trat
eine starke Dünung. Mir ward so übel, daß ich nicht mehr imstande
war die Ruder zu führen. Plötzlich tauchte vor meinen Augen eine
hohe Steilküste auf.
    Trotz meiner tiefen Erschöpfung rann mir bei dem Bewußtsein
meiner nahen Rettung frischer Lebensmut durch die Adern und
Freudentränen flossen über meine Wangen herab.
    Wie rasch sich doch unsere Gefühle ändern und wie seltsam es
ist, daß wir selbst im äußersten Elend so sehr am Leben hängen! Aus
meinem Mantel konstruierte ich mir ein Segel und steuerte auf das
Land zu. Es war eine wilde Felsenküste, die da vor mir lag; aber
als ich näher kam, erkannte ich, daß ich in der Nähe menschlicher
Wohnstätten war. Boote lagen am Ufer. Aufmerksam suchte ich mit den
Augen die Küste ab und stieß einen Freudenschrei aus, als ich
hinter einer felsigen Landzunge die Spitze eines Kirchturmes
emporragen sah. Ich beschloß, direkt auf die Ansiedelung
loszufahren, da ich hoffen konnte, dort am ehesten Speise und Trank
zu erhalten. Glücklicherweise hatte ich genug Geld bei mir. Als ich
die Landzunge umfahren hatte, lag ein kleines, hübsches Städtchen
vor mir, und innige Freude zog durch mein Herz, wie ich in dem
geschützten Hafen landete.
    Ich war damit beschäftigt, mein Boot festzumachen und
das Notsegel abzunehmen, als ich bemerkte,
daß sich eine Anzahl Menschen herandrängte. Sie schienen sehr
erstaunt über meine Ankunft. Aber anstatt mir behülflich zu sein,
flüsterten sie einander zu und machten Geberden, die mich unter
anderen Umständen ernstlich beunruhigt hätten. Immerhin bemerkte
ich, daß sie sich englisch unterhielten, und rief ihnen deshalb in
dieser Sprache zu: »Halloh, meine Freunde, wollt ihr so gut sein
und mir sagen, wie die Stadt hier heißt?«
    »Das werdet Ihr noch bald genug erfahren,« entgegnete mir ein
Mann mit rauher Stimme. »Es kann recht gut sein, daß ihr an einem
Platze gelandet seid, der nicht nach eurem Geschmack ist. Und man
wird euch sicherlich nicht fragen, wo ihr wohnen wollt!«
    Ich war aufs äußerste überrascht, so ungastlich aufgenommen zu
werden, und die düsteren, wilden Gesichter der umherstehenden
Menschen brachten mich aus der Fassung. »Warum gebt ihr mir eine so
grobe Antwort?« fragte ich. »Es ist doch sonst keine Gewohnheit der
Engländer, Fremde in dieser Weise zu empfangen.«
    »Ich weiß nicht, was die Engländer für Gewohnheiten haben,«
sagte der unfreundliche Mann wieder. »Aber die Iren haben die
Gewohnheit, jeden Fremden zu hassen!«
    Während dieser unerquicklichen Auseinandersetzung bemerkte ich,
daß sich immer mehr Leute ansammelten. Ihre Gesichter zeigten ein
Gemisch von Neugierde und Wut, was mich unangenehm berührte und
mich mit Sorge erfüllte. Ich fragte nach dem Gasthause, erhielt
aber keine Antwort. Ich ging deshalb auf die Stadt zu, um mich
allein zurechtzufinden, und die Menge schloß sich mir murmelnd und
grollend an. Plötzlich kam ein unheimlich aussehender Kerl auf mich
zu, legte mir die Hand auf die Schulter und sagte: »Kommen Sie mit,
Herr, zu Herrn Kirwin; Sie müssen sich über Ihre Person
ausweisen.«
    »Wer ist Herr Kirwin? Warum habe ich mich über meine Person
auszuweisen? Ist das nicht ein freies Land?«
    »Ja, Herr, frei für ehrliche Leute. Herr Kirwin ist
Bürgermeister, und Sie werden sich wegen
des Todes eines Mannes zu verantworten haben, den man heute Nacht
ermordet hier vorfand.«
    Diese Antwort erschreckte mich, aber ich faßte mich rasch. Ich
war unschuldig, das konnte ich mühelos beweisen. Deshalb folgte ich
der Aufforderung ohne weiteres und wurde nach einem der schönsten
Häuser der Stadt gebracht. Ich war am Umsinken vor Schwäche und
Hunger. Aber in Anbetracht der Menge, die mich umgab, hielt ich es
für geraten, meine ganze Kraft aufzubieten, damit mir nicht die
Schwäche als ein Beweis der Schuld ausgelegt werde. Ich hatte ja
keine Ahnung von dem Entsetzlichen, das mir die nächsten
Augenblicke bringen mußten und gegen das alle Schande und der Tod
selbst ein Kinderspiel sind.
    Ich muß einen Moment aussetzen,

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