Frankenstein oder Der moderne Prometheus
gehalten und auf den weiten,
trostlosen Haiden Zuflucht gesucht. Und nun war er da, um zu sehen,
wie weit ich war, und um mich an die Erfüllung meines Gelübdes zu
erinnern.
Als ich dieses Gesicht voll Bosheit und Grausamkeit erblickte,
ergriff mich bei dem Gedanken, daß ich mich verpflichtet hatte, ein
ihm ähnliches Wesen zu schaffen, eine furchtbare Raserei
und ich zertrümmerte das Werk meiner
Hände. Der Dämon sah, wie ich das vernichtete, auf dessen künftige
Existenz er seine ganzen Glückshoffnungen aufgebaut hatte, und
verschwand mit einem Geheul satanischer Rachsucht vom Fenster. Ich
verließ das Laboratorium, verschloß dessen Tür und legte mir selbst
das Gelübde ab, diese Arbeit nie wieder aufzunehmen. Dann suchte
ich mit schwankenden Schritten mein Schlafgemach auf. Ich war
allein. Niemand in meiner Nähe, der sich bemüht hätte, das Dunkel
zu lichten, das meine Seele umgab, und mir die quälenden Gesichte
zu verscheuchen.
Einige Stunden stand ich so am Fenster und starrte auf die See
hinaus. Sie war fast regungslos, denn unter dem sanften Schein des
Mondes hatte sich der Wind wie die ganze übrige Natur schlafen
gelegt. Auf der dunklen Wasserfläche lagen, noch um eine Nuance
dunkler, einige Fischerboote, und zuweilen tönten aus der Ferne die
Rufe der Fischer herüber. Die tiefe Stille tat mir wohl, wenn ich
mir dessen vielleicht auch nicht ganz bewußt wurde. Plötzlich hörte
ich Ruderschläge am Ufer und Jemand landete in der Nähe meines
Hauses.
Wenige Augenblicke später hörte ich ein Geräusch an meiner Tür,
als wenn man versuchte sie leise zu öffnen. Ich zitterte am ganzen
Leibe, denn ich hatte schon eine Ahnung, wer da Einlaß begehrte,
und hätte am liebsten einen der Landleute gerufen, die nicht weit
von mir wohnten. Aber ich hatte ein Gefühl der Ohnmacht, das man
zuweilen in schweren Träumen empfindet. Man möchte gern einem
unheimlichen Verfolger entfliehen, kann aber nicht von der Stelle,
als sei man festgewurzelt.
Dann hörte ich schwere Tritte auf dem Flur. Die Tür öffnete sich
und herein trat der Gefürchtete. Er schloß hinter sich ab, kam auf
mich zu und sagte mit sanfter Stimme:
»Warum hast du dein begonnenes Werk zerstört; was soll das
bedeuten? Hast du im Sinne, dein Wort zu brechen? Ich habe Not und
Elend erduldet. Ich bin mit dir von der Schweiz fortgegangen; ich
wanderte verstohlen an den Ufern des Rheines entlang und
überkletterte mühsam die steilen Hügel. Ich habe mich monatelang auf den Haiden Englands und den
schottischen Steinwüsten verborgen gehalten. Ich habe keine Mühsal,
keinen Hunger, keine Kälte gescheut, um in deiner Nähe zu bleiben.
Darfst du da meine ganzen Hoffnungen vernichten?«
»Verfluchter! Natürlich breche ich mein Wort. Niemals werde ich
mich dazu hergeben, ein Wesen zu schaffen, das dir an Häßlichkeit
und Verruchtheit gleicht!«
»Elender Sklave! Darum also habe ich mich herbeigelassen, mit
dir zu verhandeln? Aber vergiß nicht, daß ich dich in der Gewalt
habe. Du meinst wirklich, du seist schon elend? Ich kann dich so
unglücklich machen, daß du den Tag verfluchst, an dem du das erste
Mal das Licht der Welt sähest. Du bist mein Schöpfer, aber ich bin
dein Gebieter. Du hast zu gehorchen!«
»Die Zeit meiner Unentschlossenheit ist nun vorüber und du
kannst tun, was du willst. Deine Drohungen helfen gar nichts. Ich
werde das Verbrechen nicht begehen, das du von mir forderst. Im
Gegenteil, je mehr du drohst, desto fester bin ich entschlossen,
dir keine Genossin zu schaffen. Soll ich kalten Blutes einen Dämon
mehr auf die arme Welt loslassen, dessen Dasein Mord und Verderben
bedeutet? Geh! Ich bleibe fest und deine Worte können höchstens
mich noch zornig machen!«
Das Ungeheuer sah, daß ich festen Willens war, und knirschte in
hilfloser Wut mit den Zähnen. »Soll denn jeder Mensch,« schrie er,
»ein Weib finden, das er in die Arme schließen kann, und jedes Tier
sein Weibchen haben? Und soll ich allein bleiben? Ich hatte das
Beste gewollt und das vergilt man mir mit Haß und Abscheu.
Meinetwegen hasse mich; aber sei auf der Hut! Dein Leben soll in
Gram und Leid dahinfließen, und bald wird der Riegel fallen, der
dich von aller Freude abschließen soll. Du sollst nicht glücklich
sein, während ich nach einem bißchen Licht und Freude schmachte. Du
kannst alle meine Wünsche unterdrücken, aber nicht meine Rache; die
Rache soll mir heilig sein und mir vorgehen vor Sonne und Nahrung.
Und wenn ich untergehe, dann
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