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Frankenstein oder Der moderne Prometheus

Frankenstein oder Der moderne Prometheus

Titel: Frankenstein oder Der moderne Prometheus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Shelley
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mußt vorher du, mein Tyrann, mein
Quäler, dem Lichte geflucht haben, das deinem Elend geleuchtet.
Hüte dich! Ich fürchte nichts und deshalb
bin ich stark. Ich will listig wie eine Schlange warten, bis ich
dir den Giftzahn ins Fleisch schlagen kann. Du sollst das Unrecht
bereuen, das du an mir getan!«
    »Geh, Satan, und vergifte nicht weiter die Luft mit dem Atem
deiner Bosheit! Ich habe dir gesagt, was mein Wille ist, und nichts
soll mich mehr zu einem Schurken machen, der an seinem Worte
rütteln läßt. Geh! Ich bin unerbittlich!«
    »Nun gut; ich gehe. Aber verlasse dich darauf: in deiner
Brautnacht werde ich bei dir sein.«
    Ich sprang auf ihn zu und schrie: »Elender! Ehe du mein
Todesurteil sprichst, sieh zu, daß du selbst heil bist!«
    Ich wollte ihn ergreifen. Aber er entwand sich leicht meinen
Händen und stürzte eilig aus dem Hause. Ich sah ihn einige
Augenblicke später in seinem Boote, das pfeilschnell durch die
Wellen dahinschoß und sich bald im Dunkel verlor.
    Nun war es wieder still um mich her, aber in meinen Ohren
klangen seine Worte. Ich brannte vor Begierde, den Räuber meines
Friedens zu verfolgen und ihn ins Meer zu stürzen. In größter
Erregung eilte ich in meinem Zimmer auf und nieder und allerlei
Gedanken fuhren mir wirr durch den Kopf. Warum war ich ihm nicht
gleich nachgelaufen, um mich mit ihm im Kampfe auf Leben und Tod zu
messen? Aber nun war es geschehen; er war mir entkommen und hatte
sein Schiff dem Festland zugesteuert. Dann fielen mir wieder seine
Worte ein: »Ich werde in deiner Brautnacht bei dir sein.« Das also
war der Tag, an dem sich mein Geschick entscheiden mußte. Dann
sollte ich sterben, ein Opfer seines Hasses. Ich empfand nicht die
geringste Furcht; aber als ich daran dachte, wie meine arme
Elisabeth leiden mußte, wenn ihr der Geliebte von grausamer Hand
hinweggerafft wurde, da flossen die Tränen – die ersten, die ich
seit langer Zeit wieder geweint – über meine Wangen und ich schwor
mir, nicht ohne erbitterten Kampf zu fallen.
    Auch diese Nacht ging vorüber und leuchtend stieg die Sonne aus
dem Meere empor. Ich wurde wieder ruhiger, wenn man den Zustand als
Ruhe bezeichnen kann, in dem rasende Erregung der tiefsten Verzweiflung Platz macht. Ich verließ das
Haus, in dem sich die schreckliche Unterredung mit meinem Dämon
abgespielt hatte, und begab mich an den Strand. Ich hatte den
Wunsch, daß ich mein weiteres Leben auf dieser öden Steinklippe
hinbringen dürfte; ein hartes Leben, das ist wahr, aber frei von
jedem unerwarteten Schicksalsschlag. Wenn ich in meine Heimat
zurückkehrte, dann geschah es nur, um meinem Ende entgegenzugehen
oder die meinen unter den grausamen Fingern des Dämons, dem ich
selbst das Dasein gegeben, verbluten zu sehen.
    Rastlos eilte ich am Ufer hin und her. Als es Mittag wurde und
die Sonne schon hoch stand, warf ich mich ins Gras und verfiel in
einen tiefen Schlaf. Ich hatte die ganze vorige Nacht gewacht;
meine Nerven schmerzten und meine Augen waren entzündet. Doch der
Schlaf erquickte mich, und als ich wach wurde, fühlte ich wieder,
dass ich ein Mensch war wie die anderen. Das gab mir meine Fassung
wieder, wenn auch die Worte meines Todfeindes noch in meinen Ohren
klangen wie Grabgeläute, fern aber deutlich.
    Die Sonne stand bereits tief am Horizont. Ich stillte eben
meinen rasenden Hunger mit einigen Brötchen, als ich ein Boot
herankommen sah. Ein Mann der Besatzung sprang ans Land und übergab
mir ein Paket. Es enthielt Briefe von Genf und einen weiteren von
Clerval, der mich bat, zu ihm zu kommen. Er schrieb mir unter
anderem auch, daß die Zeit, die er an seinem jetzigen
Aufenthaltsort verbringe, für ihn nutzlos sei und daß die Freunde,
die er in London gewonnen, ihm nahelegten, zurückzukehren und die
Vorbereitungen für die Reise nach Indien zu treffen. Er könne seine
Abfahrt nicht länger hinausschieben; und da er seine große Reise
möglichst rasch nach seiner Ankunft in London antreten wolle,
möchte ich mich beeilen, damit er noch recht viel mit mir zusammen
sein könne. Er schlug mir vor, meinen Aufenthalt auf der
Felseninsel sofort zu unterbrechen und in Perth mit ihm
zusammenzutreffen, von wo aus wir dann die Fahrt nach London
gemeinschaftlich machen würden. Dieser Brief erweckte meine
Lebensgeister wieder vollständig und ich beschloß, spätestens in zwei Tagen der einsamen Insel
Valet zu sagen.
    Eine Aufgabe stand mir allerdings bevor, an die ich nur mit
Schaudern denken konnte, nämlich die

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