Franklin Gothic Medium (German Edition)
eingepackt; unnütz lag es da und wartete, ebenso wie sie selbst, auf seine Besitzerin.
Naomi konnte mit längeren Wartezeiten, die stets geprägt waren von emotionaler Unsicherheit, nur sehr schwer umgehen. Sie fand keine innere Ruhe und hätte einen Kurs bei einem lehrreichen Zen-Meister benötigt, um auch nur den Anschein von Gelassenheit und Geduld erwecken zu können. Ihre Ängste dominierten ihre Gedanken: bestimmt hatte ihre Liebste die Nacht bei ihrem Exfreund verbracht; dem Objekt ihres eigenen Hasses und der Eifersucht. Früher einmal waren die Beiden einmal ein Paar gewesen; bis der verhasste Kerl Fou-Mai wegen einer anderen verlassen hatte.
Die hübsche Chinesin schien den Verlust nie ganz verwunden zu haben. Die menschliche Neigung, genau das zu wollen, was man nicht oder nur sehr schwer haben kann, machte ihr das emotionale Loslassen, das "Nicht-mehr-wollen", wohl nahezu unmöglich. Schon ganz am Anfang ihrer Beziehung hatte Fou-Mai Naomi mit ihm betrogen, ihr danach aber immer wieder geschworen, dass dies ein einmaliger Ausrutscher war und sie ihn nie wieder auch nur sehen würde. Wenn Naomi glauben sollte, was man ihr erzählte, herrschte seit damals kein Kontakt mehr zwischen den Beiden. Doch auch wenn Fou-Mai es ebenso hartnäckig bestritt, wie sie selbst es anzweifelte: mittlerweile war der Kerl wieder aus der Versenkung aufgetaucht und Fou-Mai mutierte zu einer folgsamen, treudummen und läufigen Hündin, die sprang wenn ihr Herr pfiff.
Sie führte die Telefonate mit ihm stets im Nebenzimmer, heimlich und mit gesenkter Stimme, legte auf, sobald Naomi den Raum betrat. Kurz darauf erfand sie meistens Begründungen, weshalb sie nicht zu Hause sein konnte; harmlos erscheinend und bestimmt gelogen!
Erst vor ein paar Tagen war Fou-Mai so dumm gewesen, vielleicht weil sie die Quittung als Erinnerung an einen schönen Abend behalten wollte, die Rechnung für eine Pizza Amore für zwei Personen aufzuheben. Naomi hatte die zerknitterte Rechnung rein zufällig gefunden, als sie argwöhnisch und akribisch die Taschen ihrer Liebsten durchsuchte. Am Abend zuvor hatte diese, wieder einmal, angeblich Überstunden machen müssen. So viel Lug und Trug, nur um wieder einmal in sein verwanztes Bett kriechen zu können! Eine Liebesspielwiese, von der er Fou-Mai glücklicherweise immer wieder verbannte, sobald er ihrer überdrüssig wurde. Zumindest, das hatte sie ihr erzählt, war er früher so gewesen. Er behandelte sie wie Dreck und sie lief ihm a nscheinend auch noch hinterher.
Unschwer erkannte sie, dass sie ihrer Freundin in dieser Beziehung nicht ganz unähnlich war. Auch sie ließ sich zu viel gefallen, verzieh das Unverzeihbare, auch wenn sie sich jedes Mal aufs Neue fragte, wie oft sie das noch konnte ohne innerlich daran zu zerbrechen. Der anfangs nur haarfeine Riss, der sich durch ihr Herz zog, drohte sich allmählich zu einer Gletscherspalte zu erweitern.
Das hatte sie nun davon, dass sie sich in eine “Normale” verliebt hatte. Fou-Mai war, im Gegensatz zu Naomi, eigentlich nicht lesbisch. Früher waren die Beiden nur Freundinnen gewesen, bis zu jenem magischen Abend vor zwei Jahren, an dem mehr daraus wurde. Soviel mehr, dass es Naomis Herz schier gar in tausend Stücke zerriss, als sie sich nun vorstellte, wie Fou-Mai sich lustvoll in seinen Armen räkelte. Wie sie genau jetzt, in diesem Moment, ihre weißen Schenkel für ihn spreizte oder sein ach so toller Penis das zarte Fleisch penetrierte, welches sie so gern mit ihrer Zunge verwöhnte. Zwischen ihnen war ein tiefes Band der Liebe entstanden, unsicht- aber fühlbar, unzerreißbar wie der silberne Faden, der aus dem Leib einer genetisch mutierten Superspinne geboren wird. Umso mehr quälte sie, dass dieser ihr fremde Kerl noch immer einen Teil des von ihr begehrten Herzens besaß. Und es schamlos zu benutzte, um sich die Leidenschaft und Hingabe zu stehlen, die nunmehr ihr allein gehören s ollte.
Schließlich fing sie an um Abstellung zu ersuchen, flehte Fou-Mai, die wie immer alles leugnete, an, sich nie wieder mit ihm zu treffen; ihn endlich aus ihrem Leben zu streichen. Dann hätten sie endlich die Chance, einander ganz zu gehören. So wie ihre Lippen, Körper und Augen es einander in ihren Liebesnächten versprachen. Sie könnten so glücklich sein!
Doch statt Verständnis und Behutsamkeit erhielt sie Verschlossenheit und Blendwerk. Und nun saß sie hier, wartete seit Stunden auf das Rasseln des Schlüssels im Türschloss oder
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