Franklin Gothic Medium (German Edition)
Kampf alleine bestreiten mussten. Ihrer Schönheit tat dieser Verlust keinen Abbruch. Nun erinnerte sie nur weniger an eine kampflustige Amazone, dafür a ber mehr an die Venus von Milo.
In dieser Zeit gewann Franklin viele wichtige, tiefgreifende Einsichten in das Wesen des Fleischs, auch in die Vorzüge der gleichgeschlechtlichen Haltung und stellte dabei zu seinem Erstaunen fest, dass die Evolution, der Drang des Lebens zur Erhaltung der Art, wahrhaftig ein Wunder der Natur war, welches genau hier, in seinen eigenen vier Wänden, stattfand. Wie manchen Froscharten gelang es auch seinen zwei Weibchen, beziehungsweise einem davon, irgendwie zu mutieren, den fehlenden männlichen Geschlechtspartner zu ersetzen und das andere Weibchen zu schwängern. Wie das möglich war konnte Franklin sich selbst nur schwer erklären, dennoch gab es an dieser Tatsache nichts zu leugnen. Denn es dauerte nicht lang, da fing der Leib der Venus an sich zu runden und ein neues, schmackhaftes Leben begann in ihr heranzuwachsen.
Kapitel 26 - Blutwein
Wenn wissenschaftliches Denken auf die logischen Prozesse der Arithmetik beschränkt wäre, würden wir in unserem Versuch, die physikalische Welt zu begreifen, nicht weit kommen. Ebenso gut könnte man versuchen, den Reiz des Pokerspiels einzig und allein mittels der mathematischen Wahrscheinlichkeitsrechnung nachzuvollziehe n. (Vannevar Bush, 1890 - 1974)
Mittlerweile rückte auch die Weihnachtszeit immer näher. In diesem Jahr hatte er vor, eine Art Feldexperiment durchzuführen und seine köstlichen Produkte an der breiten Masse zu testen. Zuerst hatte er mit dem Gedanken gespielt eine kostenlose Speisung für die Obdachlosen zu veranstalten, ihn aber schnell wieder verworfen. Die armen Schweine würden, egal was man ihnen vorsetzte, doch nur alles in sich hineinfressen, ohne Sinn und Verstand. Was wusste dieses Klientel denn schon von großartiger Gourmetküche? Stattdessen mietete er sich einen Stand auf dem alljährlichen Weihnachtsmarkt, dessen horrende Standgebühren ihn zwar abgeschreckt, doch nicht vertrieben hatten. Er schmückte ihn festlich mit Tannen- und Mistelzweigen, unter denen sich die Liebenden küssen und gegenseitig mit seinen herzhaften Delikatessen füttern konnten. Sein Sortiment beinhaltete alles, was auf einem reich gedeckten Gabentisch nicht fehlen sollte: süßen Honigschinken, scharfe geräucherte Pfeffersalamis, herzhaft-milde Knackwürstchen im Naturdarm und natürlich durfte auch der gute geräucherte Speck nicht vergessen werden. Aufgespießt auf flaggenbewehrte Zahnstocher bot er kleine Kostproben an, reichte einen alkoholhaltigen, heißen Punsch, welchen er “Blutwein” taufte dazu und erfreute sich an den lobenden Worten und zufriedenen Gesichtern, die mit der Verkostung stets einhergingen. Selten verließ jemand seinen Stand ohne sich zumindest eine Winzigkeit der schmackhaften Feinkost mit nach Hause zu nehmen. Schell wurde die Nachfrage höher als das Angebot und schon eine Woche vor dem eigentlichen Ende des Marktes war die wü rzige Ware restlos ausverkauft.
Die Feldarbeit hatte sich gelohnt. Nicht nur hatte sie eine Menge Extra-Dukaten in Franklins Kasse gespült, sie hatte vor allem bestätigt, was Franklin insgeheim schon lange wusste: die Zeit war fast reif, das Werk fast vollendet und die Menschen liebten was er auf ihre Teller und in ihre Mägen brachte. Er würde sich nun, nachdem die Arbeit fast vollständig getan war, gemütlich am heimischen Kamin die Füße wärmen, sein großes Werk noch einmal Korrekturlesen, letzte Verbesserungen vornehmen und sich einen angenehmen Winter, vor allem kulinarischer Natur, machen. Eine längere Auszeit hatte er sich redlich verdient, nach der Schufterei der letzten Monate. Auch seinen niedlichen Kellerinsassen könnte er nun endlich wieder mehr Aufmerksamkeit schenken. Die Niederkunft des Weibchens musste unmittelbar bevorstehen, es konnte nur noch wenige Wochen dauern, bis sie ihr Junges werfen würde. Franklin war schon ganz aufgeregt, geriet ins Träumen, wenn er an das bevorstehende Wunder des Lebens dachte, welches in seinem Stall für eine kurze Zeit das Licht der Welt erblicken würde.
Kapitel 27 - Alltag
Der Alltag ist die Steiger ung des Absurden. (Stefan Schütz)
Seit Monaten
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