Franklin Gothic Medium (German Edition)
einem gesunden Mann in seinem Alter, welcher Zeuge ihres schamlosen Treibens werden durfte, erwarten könnte. Das ihm gefiel was er sah merkte man nur daran, dass die Portionen hernach immer deutlich größer ausfielen, erkennbar liebevoller angerichtet waren und meist auch besser schmeckten, als der Fraß den er ihnen nach den Gelegenheiten vorsetzte, bei denen sie ihr Lustspiel unterbrochen hatten, weil ihnen die Lust unter seinem raubtiergleichen Blick verging. Am allermeisten jedoch, das war die für Beide schmerzhafteste Lektion gewesen, konnte man ihm die Laune verderben indem man versuchte ihm zu entkommen. Freilich ließen sie derartige Gedanken schnell fallen, nachdem Naomi die Füße zum Laufen und die Beine zum Rennen fehlten und noch dazu ihr Bauch immer dicker wurde. Die Schamgrenze war auch schnell ins Bodenlose gesunken und so stand einem harmonischen Miteinander bald nichts mehr im Wege.
Kapitel 28 - Kommunikation
Mit einem Brunnenfrosch kann man nicht über den Ozean reden, e r ist beschränkt auf sein Loch. (Dschuang Dsi)
Fou-Mai tat sich noch immer schwer damit, die Situation zu akzeptieren. Nachdem sich die verkrusteten Überreste ihres Blutes lösten, welches die Gehörgänge verklebte, hatte sich etwas von ihrem Hörvermögen wieder eingestellt und ihr somit das Gefühl genommen vollkommen isoliert zu sein von der Außenwelt. Darum konnte sie nun zumindest der süßen Stimme ihrer Liebsten lauschen. Doch so sehr sie sich auch bemühte , so sehr sie den unnützen Stumpf auch plagte und trainierte, es gelang ihr noch immer nicht, artikulierte Worte oder gar Sätze von sich zu geben. Die Konversation fand nun notgedrungen eher nonverbal, durch kleine Gesten und Berührungen oder interessante Gesichtsverrenkungen statt. Es gelang ihr inzwischen, ihr Gesicht zu morphen, es zu verändern zu unglaublich aussagekräftigen Abbildern ihres Seelenlebens, doch war ihr dies nicht genug. Zu vieles musste sie kommentarlos schlucken und es fiel ihr schwer, sich so ihre Sorgen von der Seele zu reden. Außerdem spürte sie ständig ein ekelhaftes Schlängeln, wie eine sich windende Natter, ein wildes Phantomzucken des Nahrungsaals. So wie Naomi ständig behauptete ihr rechter Daumen würde jucken, ging es ihr in Bezug auf ihren nicht mehr vorhandenen Gaumenmuskel.
Ihr Gedankenaustausch wurde erleichtert, als das Monster in Menschengestalt ihnen eines Tages einen Stapel Papier und Wachsmalstifte in ihr Gefängnis brachte. Doch schon standen sie vor dem nächsten Problem. Naomi, wenig gebildet und belesen, die sich kaum jemals mit der chinesischen Kultur auseinandergesetzt hatte, konnte die schön schnörkeligen Schriftzeichen nicht entziffern, die sie ihr malte und mit der westlichen Schrift hatte sie selbst arge Probleme. Fou-Mai versuchte sich nicht zu sehr darüber zu ärgern. Trotzdem stellten die Malsachen eine Verbesserung der Kommunikation dar, denn mit einfachen Zeichnungen und infantilen Strichmännchen konnte man zwar nicht mehr sagen als mit 1000 Worten, aber immerhin sehr viel mehr als mit dem unnützen Rest ihrer Zunge.
So gelang es Fou-Mai einen ausdrucksstarken Ablauf von Bildern zu zeichnen, mit denen sie Naomi gründlich die Meinung geigte über ihre Nacht mit zahllosen Männern und die Dummheit sich von ihnen schwängern zu lassen. Was weder die beiden Veteraninnen im Keller, noch der Kannibale in seiner Küche ahnten war, dass diese Bilder in nicht allzu ferner Zeit den Markt in Form eines Comics für Erwachsene erobern würden und zum feuchten Traum eines jedes Comicfreaks auf Gottes Erdboden werden sollten. Ein weiteres Original schlummerte nun also in Franklins Gemäuer und wartete nur darauf, von seinen Lesern entdeckt zu werden.
Anfangs war Fou-Mai furchtbar frustriert von diesen Fehlschlägen gewesen. Mit der Zeit aber stellte sie fest, dass es ihr nun auf naturgegebene Art gelang geheimnisvoll, mysteriös und undurchdringlich, auf ihr Gegenüber zu wirken und so sagte sie sich, dass ihr Schweigen dauerhaft den Reiz ihrer Persönlichkeit erhöhen würde und begann langsam, sich mit den misslichen Umständen anzufreunden. Außerdem bot ihre fehlende Sprachfähigkeit ih r nun die Möglichkeit, einfach ihr schon immer aufbrausendes Temperament und die eine oder andere Maulschelle zu rechtfertigen. Wer nicht sprechen kann, der muss schließlich zu anderen Ausdrucksformen greifen. Zudem musste sie nicht befürchten, dass die Andere
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