Franklin Gothic Medium (German Edition)
zurückschlagen würde, also Schwamm drüber.
Kapitel 29 - Evolution
Nichts in der Biologie ergibt Sinn, außer im Lichte der Evolution. (Theodosius Dobzhansky)
Interessiert und beseelt von wahrem Forschergeist begab Franklin sich in seinen Keller. Hinter ihrer Fensterscheibe tummelten sich seine zwei Grazien auf der Luftmatratze, die er ihnen geschenkt hatte. Sich selbst hatte er mittlerweile einen gemütlichen Ohrenbackensessel vor das Sichtfenster gestellt und setzte sich nun gerne des Abends, mit einem Glas Rotwein, hierher und studierte das Verhalten des Fleisches und die Auswirkungen der unerwart eten Geschlechtstransformation.
Zwar konnte Franklin kein neu hinzugekommenen oder von selber abfallenden äußeren Geschlechtsmerkmale am mutierten Mannweib feststellen, doch die Veränderung im Gebaren schloss jeden Irrtum aus. Das Männchen, wie er Fou-Mai bei sich nun nannte, hatte an Dominanz gewonnen und unterwarf das Weibchen, wann immer es seine Herrschaft im Gatter anzweifelte. Der nunmehr sicher erhöhte Testosteronspiegel musste wohl Auslöser für diese männlichen Machtbezeugungen sein. Das, und der natürliche Trieb das Weibchen fügsam zu halten, damit es sich auf seine ihm von der Natur zugedachte Aufgabe konzentrieren und den Nachwuchs ausbrüten konnte.
Bei der Unterwerfung seiner femininen Genossin war das Männchen stets vorsichtig und behutsam, gefährdete niemals die Brut und die Backpfeifen die es ihr gab schienen mehr liebevoll als bösartig zu sein. Vielleicht gehörten sie sogar zum Balzverhalten, denn oftmals konnte er beobachten, dass sie es hernach miteinander trieben wie die Tiere. Der Sexualtrieb schien, trotz der weit vorangeschrittenen Schwangerschaft, noch immer in voller Stärke zu bestehen und Franklin rechnete sich aus, dass er, sollte er sich zur weiteren Zucht entschließen, alljährlich eine schöne Ernte einfahren würde. Ohne Zweifel würde das Männchen seine Gemahlin sofort wieder schwängern, sobald der primäre Wurf das Lächeln seiner Mutter zum letzten Mal erblickt hatte. So könnte er jährlich ein hauseigenes Schlachtfest abhalten, denn Massentierhaltung schloss er, allein schon um spä tere Inzucht zu vermeiden, aus.
Langsam ließ er den schweren, roten Wein, ein alter Jahrgang, gekeltert noch vor der Jahrtausendwende und sorgfältig alteriert, über seine Zunge rollen, kostete den vollmundigen Geschmack und ließ seinen Gedanken freien Lauf. Er sinnierte über die vielen Beispiele in der freien Natur, die sich für dieses artübergreifende Schutzverhalten der männlichen Population finden ließen. Beim König der Tiere angefangen, der krallenbewehrt sein Rudel verteidigt, über die brust- trommelnden Gorillas, vorbei an den huf- stampfenden Büffeln bis hin zu den baseball- schlägernden Zuhältern die ihre Nutten erzogen und beschützten. Sein
Gedankenflug erhob sich über die Meere, in denen gewaltige Walfische, wenn auch leidvollerweise deutlich weniger als noch vor ein-- zweihundert Jahren, ihre Kälber gegen urzeitliche Haie verteidigten, über den Horst in dem der letzte noch lebende Weißkopfadler im Zoo von Miami sein Hühnerei bewachte, welches ihm die Tierpfleger ins Nest gelegt hatten, da ein Kuckucksei schon seit 50 Jahren nicht mehr gelegt wurde. Er flog über die schmelzenden Polkappen hinweg, auf denen die letzten Eisbären ihre zerfließenden Eisschollen gegen die aufdringlichen Pinguine verteidigten und hin zu den Farmern in Kentucky, den zivilisierten Wilden mit den Schrotgewehren und ihren geschmackvollen Töchtern.
Dann schränkte er seine Gedankenwelten wieder ein, besann sich auf das eigene Heim, beobachtete die Mutation, die gerade das Weibchen mit den Resten des abendlichen Festschmauses fütterte. Das sich die Brust noch immer kein bisschen zurückgebildet hatte, die Verwandlung das Äußere so wenig beeinflusst hatte, schien ihm als glatter Fehler der Natur, welche die Optik vielleicht als nur zweitrangig erachtet hatte. Vielleicht sollte er der Evolution ein wenig nachhelfen! Zeitgleich mit dieser Überlegung vernahm er das Knurren seines stets hungrigen Magens und eine Idee für das heutige Dinner formte sich in seinem Schädel.
Spontan griff er nach dem elektrischen Viehtreiber, den er neben dem Ohrenbackensessel stehen hatte, entriegelte die schwere Eisentür und betrat den
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