Franley, Mark
die Schreie ihres Bruders und die unerträgliche Stille danach.
Hausner hatte sie damals ein weiteres Mal in diesem Zimmer besucht, doch sie schaffte es nicht ihm Befriedigung zu verschaffen. Er hatte gedroht, dass ihr Bruder dafür büßen würde, wenn sie nicht alles tat, was er wollte.
Dann war es passiert, Karla konnte zwar den Kopf noch rechtzeitig wegziehen, erbrach sich aber auf das Bett. Hausner war wortlos aufgestanden, hatte das Zimmer verlassen, kurz mit der Frau gesprochen und dann hörte sie die Schreie ihres Bruders. Anschließend gab es noch einen kurzen Streit zwischen dem Mann, der sie in dieses Haus gebracht hatte, und dem Anwalt. Von da an wusste sie, dass Hausner in der Schuld des anderen stand und in Zukunft alles tun würde, was man von ihm verlangte.
Ein weiterer, deutlich hörbarer Atemzug aus dem Nebenzimmer holte Karla aus ihren Gedanken. Am liebsten wäre sie aufgestanden und hätte all ihre Wut an diesem Bastard ausgelassen, doch sie hatte andere Pläne.
–45–
Als Mike am Samstagmorgen das Büro aufschließen wollte, war ihm Natalie schon zuvorgekommen. Obwohl sie, im Gegensatz zu ihm, aussah wie das blühende Leben, fragte er: »Hast du hier geschlafen?« Doch sie erwiderte nur: »Ich schlafe nie sehr lange.«, und starrte weiter auf ihren Bildschirm.
Mike trat hinter sie: »Was hast du da?«
»Das ist die Akte über diesen Anwalt, die du dir zusammenstellen hast lassen. Unser junger Kollege hat mir von deinem gestrigen Anruf erzählt und die Unterlagen geschickt.«
»Und steht etwas Brauchbares drin?«, fragte Mike ungeduldig, doch seine Kollegin schloss das Programm und antwortete: »Nicht wirklich.«
»Aber ich denke, dass dieser Mann unsere einzige Chance ist, die Mörderin zu schnappen. Wenn du mich fragst, steht Hausner auf der Liste, und mich wundert es schon fast, dass er überhaupt noch nicht angegriffen wurde«, erwiderte Mike, worauf ihn seine Partnerin stirnrunzelnd ansah: »Dich wundert das? Wie sollte denn jemand an den Gorillas, die ihn begleiten, vorbeikommen?«
Mike verzog das Gesicht, denn Natalie hatte natürlich Recht. »Gibt es etwas Neues wegen der Organspendensache?«, wechselte er das Thema.
»Ja, gibt es!« Die beiden Kommissare zuckten zusammen. Keiner von ihnen hatte mitbekommen, dass Karl an der Tür stand und mitgehört hatte. Nun trat er ganz ein, schloss die Tür hinter sich und sagte: »Ich hoffe euch beiden hat die kurze Auszeit gut getan. Ich habe über euer Anliegen bezüglich einer Durchsuchung dieser Klinik noch einmal nachgedacht.«
Nun drehte sich Natalie ganz zu ihrem Chef und sah ihn erwartungsvoll an.
Doch Karl musste offenbar erst die richtigen Worte finden, dann begann er in versöhnlichem Ton zu reden: »Ihr wisst, dass ich viel von euch und eurer Arbeit halte. Und auch diesen Zwischenfall in Tschechien nehme ich durchaus ernst. Was diese Luxusklinik betrifft, ist die Beweislage aber mehr als dünn und nur weil ein dort angestellter Arzt umgebracht worden ist, kann man nicht die ganze Klinik unter Generalverdacht stellen.«
Mikes und Natalies hoffnungsvolle Mimik fiel in sich zusammen. Beide hatten einen ausgeprägten Sinn für Gerechtigkeit, und dass man die Ärmsten der Armen opferte, um einem reichen Sack das Leben zu retten, fanden beide unfassbar und es erzeugte mehr als Wut.
»Trotzdem«, Karl ließ sich auf einer Schreibtischkante nieder und verschränkte die Arme vor der Brust, »habe ich das Thema vorsichtig bei meinem Treffen mit Oberstaatsanwalt Ehmer angesprochen und seine Reaktion war, ich sage mal, unverhältnismäßig.«
Mike richtete sich auf und fragte: »Was meinst du damit?«
»Er verlor regelrecht die Fassung und forderte sogar eure Suspendierung. Erst als ich alles etwas herunterspielte und sagte, dass es einfach nur ein Verdacht ist, beruhigte er sich ein wenig. Natürlich hat er einer Untersuchung der Klinik nicht zugestimmt.« Karl dachte kurz nach, dann schien es, als müsse er sich zu seinen weiteren Worten durchringen. »Ich glaube dagegen, dass ihr in ein Wespennest gestochen habt. Was haltet ihr davon, wenn wir uns jetzt erst einmal um diese mordlustige Frau kümmern und danach noch einmal ein Auge auf diese Klinik werfen. Da ihr in der tschechischen Schlachterei zwei Kinderleichen gesehen habt, fällt es doch in unsere Zuständigkeit, oder wie seht ihr das?«
Über Mikes Gesicht huschte ein Lächeln: »Also, ich sehe das auf jeden Fall genauso. Es weiß ja schließlich niemand, ob das nicht zwei
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