Franley, Mark
Rufe des Anwalts und der Mann warf einen kritischen Blick in diese Richtung. Karla folgte seinem Blick und antwortete, als wäre es das Normalste auf der Welt: »Unser Kunde hat gerade sehr viel Spaß und ich glaube nicht, dass er dabei gestört werden will«, Dann sah sie den Osteuropäer provozierend an, fuhr ihm mit der Spitze des Stocks über den Schritt und sagte: »Es sei denn, du möchtest mitmachen.«
Für einen Augenblick schien dieser tatsächlich über diese Option nachzudenken, dann schüttelte er den Kopf: »Das geht nicht. Du bitte Kunde sagen, dass ich musste weg, und er mich mit Telefon erreichen kann.«
»Natürlich, das sage ich ihm«, antwortete Karla mit einem anzüglichen Lächeln. Der Mann musterte sie noch einmal von oben bis unten, atmete einmal enttäuscht aus und ging dann zum Fahrstuhl. Ein letzter erstickter Schrei drang aus dem Studio der Domina, dann hatte Karla die Tür wieder geschlossen.
–43–
Nach Karls Ansprache hatte auch Mike das Präsidium verlassen, dachte aber nicht daran, einfach nachhause zu gehen. Ziellos, und um seinen Kopf etwas frei zu bekommen, war er erst ein wenig an der Pegnitz entlanggelaufen, hatte sich dann in ein Café am Fluss gesetzt und nachgedacht.
Die Grundstruktur des Falles war eigentlich klar. Es gab einen Mörder, ziemlich sicher eine Frau, die sich vermutlich auf einem Rachefeldzug befand. Dann gab es diesen Mafiosi, der irgendwie mit der Sache zu tun hatte, wenn auch nicht klar war, in welcher Form.
Wenn man nun die ganzen Nebenschauplätze wie die Organtransplantationen und den Mord an der Frau des Arztes wegließ, deutete alles darauf hin, dass die Mörderin eine Liste hatte, und Mike war sich sicher, dass diese noch nicht abgearbeitet war. Zunächst war da dieser Anwalt, der auch im Stadtrat saß. Es war nicht zu übersehen, dass hinter dessen Besuch bei Karl mehr als ein Auftrag steckte. Der Mann hatte Angst und zwar richtig. Hinzu kamen dann noch diese Männer, die eindeutig aus der Truppe von Michail Petrov stammten und auf den Anwalt aufpassen sollten. Mike hatte vom Fenster aus gesehen, wie Hausner das Präsidium verlassen hatte, und dass mehr als zwei Schatten in seiner Nähe waren.
Auch wenn es Wahnsinn war, aber er war sich sicher, dass der Mafiosi ebenfalls auf der Liste stand, und dass dieser das auch wusste. Warum sonst sollte er so einen Aufwand betreiben. Mike hatte zwar keine Ahnung, wie diese Mörderin an ihn herankommen wollte, aber er war schon mehr Menschen begegnet, die nichts mehr zu verlieren hatten, und wusste, zu was diese fähig waren.
Mike kramte gerade in seiner Hosentasche nach etwas Kleingeld, als er im Augenwinkel einen Schatten wahrnahm, den er für die Kellnerin hielt.
»Du, am helllichten Tag in einem Café?« Die wohlbekannte Stimme ließ ihn zusammenzucken. So souverän er sonst im Alltag auch war, bei Jenni schien sich sein Selbstbewusstsein in Rauch aufzulösen. Seit er sich von ihr getrennt hatte, wusste er absolut nicht mehr, wie er mit seiner Ex-Freundin umgehen sollte. Mehr als einmal keimte der Gedanke in ihm, dass es vielleicht daran liegen könnte, weil er einfach noch zu viel für sie empfand, doch sein Verstand ließ diesem Gedanken keine Chance. Sie hatte ihn hintergangen, und zwar auf eine Art und Weise, die einfach nicht mit seinen Moralvorstellungen zu vereinbaren war. Andererseits hatte sie ihn nur als Kommissar hintergangen, nie als Privatmensch, wehrte sich seine Sehnsucht gegen das Urteil seines rationalen Verstandes.
»Setz dich doch«, sagte er, noch bevor er richtig nachgedacht hatte, dann erst hob er den Blick und sah sie an. In ihrem Gesichtsausdruck lag keinerlei Erwartung, was es ihm leichter machte.
Jenni legte ihre Laptoptasche auf einen der Stühle, nahm ihm gegenüber Platz und strich sich eine widerspenstige Haarsträhne hinter das Ohr. Alleine diese Geste reichte, um Mike ein Jahr zurückzuversetzen. Er fühlte sich wie ein Teenager, der sich verliebt hatte, sich aber nicht herantraute.
Nachdem sie sich ein Glas Wasser bestellt hatte, sah sie Mike unverblümt an: »Du siehst fertig aus … dieser Serienmörder?«
Er nickte: »Ja, aber lass uns von etwas anderem reden. Wie geht es dir?«
Schon nach wenigen Minuten der Unterhaltung wurde Mike bewusst, wie einsam es in den letzten Monaten um ihn geworden war. Sein Leben bestand praktisch nur noch aus Arbeit. Doch nicht weil es nötig war, sondern weil er sich dorthin zurückgezogen hatte. Er wollte es sich nicht eingestehen,
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