Franley, Mark
Wochenende. Und du?«
»Wochenende habe ich zwar wie immer keins, wir haben morgen Abend noch einen Einsatz, aber für heute bin ich sozusagen von Karl zwangsbeurlaubt.« Verlegen biss er sich auf die Unterlippe, dann schlug er vor: »Was würdest du nachher noch von einem Besuch beim Italiener halten?«
Als Jenni wieder den Kopf schüttelte, sah Mike sich schon alleine zuhause sitzen, doch statt ihm einen Korb zu geben, sagte sie: »Aus dir soll jemand schlau werden. Seit Monaten gehst du mir aus dem Weg, sagst mir, dass du das alles nicht mehr kannst und willst. Und jetzt verbringen wir schon fast den halben Tag miteinander. Was ist passiert?«
Mike warf einen langen Blick aus dem Fenster, sah ihr dann wieder in die Augen und kniff die Lippen zusammen. Nach einem weiteren nervösen Blick zur Seite gestand er: »Vielleicht habe ich dich zu vorschnell verurteilt und außerdem…«, er schaffte es nicht, den Blickkontakt zu halten, «vermisse ich dich.«
Nun war er es, der die kleine Träne nicht verhindern konnte. Verunsichert, wie sein Geständnis bei ihr angekommen war, sah er sie an und wartete auf eine Reaktion. Aber was konnte er schon erwarten? Er hatte sie ein Jahr lang ignoriert, ihr üble Dinge gesagt und sogar überlegt, sie nach dem Interview mit diesem Wodan anzuzeigen.
Jenni stellte ihre Kaffeetasse auf die Arbeitsfläche, sah ihn mit einem Blick an, der alles bedeuten konnte, und machte einen Schritt auf ihn zu. Als sie ihre Hand bewegte, dachte Mike schon, sie würde ihm jetzt eine Ohrfeige verpassen, doch stattdessen strich sie ihm sanft über die Wange. Mike schloss die Augen, legte seine Hand in ihren Nacken und zog sie sanft zu sich heran. Er hörte sie noch »Lass es uns langsam angehen.« flüstern, dann berührten sich ihre Lippen und alles war vergessen. Der zunächst zurückhaltende Kuss wurde bald fordernder. Mit noch immer geschlossenen Augen zog ihr Mike das T-Shirt über den Kopf, hob sie auf die Arbeitsplatte und ließ sie seinen Waffengurt lösen.
Wenige Augenblicke später waren sie endlich wieder vereint, doch Jenni zog sich noch einmal zurück und forderte leise: »Bring mich rüber zum Sofa.« Mike zog sie an sich heran, trug sie in den Wohnraum und ließ sie auf dem Sessel nieder, wo sie ihn wieder in sich aufnahm. Als sich ihre Spannung löste, schaffte es keiner von beiden seine Tränen zurückzuhalten.
Es wurde bereits dunkel draußen, als sie sich wieder voneinander lösten. Für eine kurze Zeit gab es keinen Wodan, keine Serienmörder und auch keine Moral. In dieser Nacht genossen sie jeden Augenblick. Sie redeten, ließen sich etwas zum Essen kommen, tranken und liebten sich, bis sie schließlich in einen kurzen, traumlosen Schlaf fielen.
–44–
Karla war dem Anwalt in dieser Nacht fast so nahe, wie in jener Nacht, als sie als kleines Mädchen missbraucht wurde. Sie lag in dem einzigen Zimmer des SM-Studios, in dem ein Bett stand, und hörte dem Schnarchen aus dem Nebenzimmer zu. Sebastian von Hausner war es trotz seiner Fesseln tatsächlich gelungen einzuschlafen. Sie dagegen schaffte es nicht Ruhe zu finden und je mehr sie sich dazu zwang, umso wacher wurde sie.
Am Anfang hatte der Anwalt noch geglaubt, seine Chancen befreit zu werden, steigen dadurch, dass sich Karla so viel Zeit ließ, doch diese Hoffnung hatte sie ihm schnell genommen. Um dieses Studio nutzen zu können, hatte sie der Herrin, wie sich die Dame des Hauses selbst nannte, einfach erzählt, dass sie ihren Ehemann überraschen wollte. Diese Lüge, eine üppige Miete und eine Wochenendreise nach Paris hatten die Frau schnell überzeugt, ihr das Studio zu vermieten. Karla hatte alle Zeit der Welt und Sebastian von Hausner ahnte nicht im Ansatz, dass sein Aufenthalt hier nur das Vorspiel sein würde.
Karla rollte sich erneut auf den Rücken und betrachtete das Bild einer sehr sinnlichen Frau an der Decke über dem Bett. Ohne die Augen zu schließen, stellte sie sich vor, wie es wäre, einem anderen Menschen wieder ganz nah zu sein. Sie wusste, dass dies, wenn überhaupt, nur mit einer Frau gehen würde, denn einen Mann konnte sie bis zu ihrem Tod nicht mehr an sich heranlassen. Doch je mehr Frieden ihre Seele durch den Tod der Schuldigen fand, umso mehr keimte eine Sehnsucht auf, die sie in all den Jahren nicht mehr gespürt hatte. Die Sehnsucht nach der Berührung eines anderen Menschen.
Irgendwann schloss sie doch die Augen, aber dieses Mal erschienen keinen Bilder, dieses Mal hörte sie nur
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