Franz Eberhof 05 - Sauerkrautkoma
besonders besorgt. Endlich in diesem verkackten Krankenhaus angekommen, verfrachten wir die lädierte Verwandtschaft gleich auf die Rückbank und müssen dann erst mal in aller Ausführlichkeit die detailgetreue Schilderung der vergangenen furchtbaren Stunden ertragen. Irgendwann dreh ich die Musik ziemlich laut, weil ich’s beim besten Willen nicht mehr hören kann.
»Was machen wir denn hier?«, fragt der Leopold mit leicht hysterischem Unterton, wie ich genau vor seiner Haustür anhalte.
»Wir bringen dich nach Hause«, sag ich und deute auf den Hauseingang.
»Hier wohn ich doch nicht mehr!«
»Franz!«, sagt der Papa.
»Was, Franz?«, sag ich vielleicht ein klein bisschen laut und sehe meine allerletzte Hoffnung den Gully runterlaufen.
»Der Leopold kommt wieder mit zu uns heim, das ist doch wohl klar, oder? Du kannst doch nicht ernsthaft erwarten, dass er akkurat jetzt zu seiner Familie zurückgeht, wo es ihm eh schon so schlecht geht. Da kämen doch nur die schlimmsten Streitereien raus dabei, verstehst.«
»Genau!«, sagt der Leopold.
»Aber genau in solch schwierigen Zeiten stellt sich doch heraus, ob eine Familie zusammenhält oder nicht«, versuch ich es noch mal. Aber nix! Das war jetzt wohl genau das falsche Stichwort.
Es ist einfach verheerend. Allein schon der Gedanke, dass der Leopold künftig nicht nur zum Frühstück und Abendessen bei uns daheim abhängt … Das ist ja schon rein menschlich gesehen und nur in der Vorstellung wirklich kaum zu ertragen. Ich schnaufe tief durch, starte den Motor wiederund bring uns auf den Weg nach Niederkaltenkirchen, das ich einst so geliebt hab.
Die nächsten Tage übertreffen meine Erwartungen noch um einiges. Dabei hatte ich mich so auf das Wochenende daheim gefreut. Nicht nur, dass sich der Leopold, wie schon befürchtet, ständig drüben im Wohnhaus aufhalten würde. Nein, er humpelt sogar des Öfteren übern Hof rüber, direkt in meinen heiligen Saustall rein, und beglückt mich auch noch dort mit seiner Anwesenheit. Ihm ist so langweilig, sagt er. Außerdem ist er schon ein bisschen betrübt, was den Karl-Heinz so angeht. Weil der ihn einfach seinem Schicksal überlassen hat, dort auf dieser Piste. Da hat er nämlich nur kurz die Rettung gerufen, hat dann gesagt »Wird schon wieder!«, und gleich darauf ist er mit seinem Snowboard weiter gecarved, so als wär gar nix passiert. Das ist schon eine ziemliche Enttäuschung. Und das alles, obwohl er doch erst vor kurzem extra wegen diesem Egoisten noch mit der Susi gesprochen hätte, der Leopold.
»Wie meinst du das? Worüber hast du mit der Susi gesprochen?«, muss ich jetzt freilich wissen.
»Na, wegen eurer Hochzeit halt. Ich hab zu ihr gesagt, sie soll sich das gut überlegen mit dir. Schließlich seid ihr schon seit Jahren zusammen und eigentlich auch wieder nicht. So was wird nix mehr Richtiges, hab ich zu ihr gesagt. Nimm lieber den Karl-Heinz, Susi. Da weißt du, was du hast.«
Das erzählt der mir so einfach. Da bleibt mir ja wohl jedes Wort im Halse stecken.
»Aber jetzt … jetzt hab ich kapiert, was das für einer ist«, sagt er weiter und klopft mit den Krücken auf seinen Gips. »Und wer weiß, vielleicht war das ja auch alles höhere Gewalt, das mit dem Beinbruch. Weil wir zwei Hübschen jetzt endlich mal ein bisschen Gelegenheit haben, uns irgendwie mehr anzunähern. Was meinst du, Bruderherz?«
Jetzt klopft er mit den Krücken auf meinen Schenkel.
»Wie hat die Susi drauf reagiert?«, frag ich und steh auf.
»Ja, wie schon«, sagt er und zuckt mit den Schultern. »Gelacht hat sie halt. Und sie hat gesagt, das soll ich bitte schön ihr selber überlassen, ob und wen und wann sie heiraten will. Und dass ich ein Nestbeschmutzer bin, das hat sie auch noch gesagt. Ja, und das war’s dann natürlich. Ich bin dann halt gegangen und hab es genauso dem Karl-Heinz erzählt.«
Nestbeschmutzer. Das ist schön.
Kaum ein paar Minuten später können wir beide eine wohlbekannte Fanfare vernehmen. Wenn man vom Teufel spricht. Wir schauen uns kurz an, aber gleich steht der Leopold auf und humpelt rüber zum Fenster.
»Großer Gott! Ich glaub, mich laust der Affe!«, sagt er, und so muss ich mich wohl oder übel dazugesellen. Schließlich will man ja wissen, warum der Affe den Leopold laust.
»Jesus!«, sag ich noch. Und Sekunden später hinkt der Leopold auch schon an mir vorbei in den Hof hinaus und geradewegs auf den Ankömmling zu. Der ist praktisch verbunden von Kopf bis Fuß, trägt eine
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