Franz Eberhof 05 - Sauerkrautkoma
Böck. Und ist auch gleich in unser Wohnzimmer reingesaust.Dort hat er einen ganzen Stapel Fotos ausgebreitet. Ja, hat er gesagt, er hätte jede verdammte Tanne in diesem Scheißwald fotografiert, nur um beweisen zu können, dass wir es sind, wo die Bäume Jahr für Jahr klauen. Und dann hat er angefangen, unseren Christbaum mit den Bildern zu vergleichen. Und freilich ist er rasch fündig geworden. Trotz dem ganzen Lametta und so. Richtig aufgeregt hat er sich darüber. Unglaublich. Der Papa hat ihm danach erst mal ein Schnapserl eingeschenkt oder zwei. Vielleicht auch ein paar mehr. Jedenfalls ist er noch zum Essen dageblieben, der Herr Böck. Und ich glaub, er war sogar ein klein wenig dankbar dafür, weil er halt keine eigene Familie hat. Und so ein Heiliger Abend ganz mutterseelenalleine, da boxt jetzt auch nicht wirklich der Papst, oder? Aber jetzt bin ich ein bisschen abgeschweift. Was ich eigentlich sagen wollte, wir machen uns also heute auf den Weg in den Wald, der Papa, der Leopold und ich. Ja, der Leopold ist tatsächlich auch dabei, aber wie gesagt, es ist eine alte Tradition. Wir haben das schon als Kinder gemacht. Und ich konnte ja schließlich nicht irgendwann sagen: Du, Leopold, du gehst mir so tierisch auf die Eier, willst du nicht lieber zu Hause bleiben, eh ich dich noch mit der Axt erschlage? Nein, das geht wirklich nicht. Schon gar nicht an Weihnachten. Gut, wie wir schließlich so durch die Stämme wandern, bleiben wir vor dem einen oder anderen auch mal kurz stehen, betrachten ihn von oben bis unten und gehen anschließend weiter. Man muss schon ein paar Vergleiche ziehen, bevor man zuschlägt. Weil das Teil ja danach wochenlang im Wohnzimmer steht. Und da soll es schließlich schon was hermachen, gell.
Auf einmal bleibt der Papa wieder stehen und betrachtet einen Baum. Diesen aber deutlich länger als jeden davor.
»Ist was?«, muss ich deswegen fragen.
»Da schau her«, sagt der Papa und deutet auf diese Tannevor ihm. Ich geh da mal hin und kann dort am Baumstamm einen Zettel finden.
»Sehr verehrte Herren Eberhofer!
Bitte nehmt diesen hier, weil der eh weg muss.
gez. Förster Böck«
»Gut«, sag ich und hole die Axt aus dem Rucksack. »Dann nehmen wir halt den, wenn der eh weg muss.«
An den Feiertagen ist die Bude dann voll. Die Susi ist da. Und der Leopold, sogar mit seiner kleinen Familie. Und mich beschleicht beinah der Verdacht, die würden tatsächlich noch die Kurve kriegen, die beiden. Die Simmerls kommen zum Kaffee vorbei und auch die Flötzingers samt nerviger Brut. Wenn die Oma nicht grad am Herd steht oder Gäste bewirtet, verschwinden wir zwei drüben in meinen Saustall, und dort üben wir den Hochzeitswalzer. Der Papa hat aus seinem Plattenfundus ein paar alte Scheiben mit Tanzmusik rausgefischt, und so schieben die Oma und ich die eine oder andere heiße Sohle über unseren hundertjährigen Steinboden. Das ist lustig. Wenn es mit der Susi auch nur halb so lustig wird wie mit der Oma, dann freu ich mich schon jetzt darauf. In einer Tanzpause aber, da wird sie plötzlich fast sentimental, die Oma. Vom Tanzen ganz rotbackig, hockt sie auf meinem Kanapee und schaut mich sehr nachdenklich an.
»Ist alles in Ordnung mit dir, Oma?«, frag ich besorgt.
»Setz dich kurz her zu mir, Bub«, sagt sie und klopft auf das Polster neben sich. Und freilich tu ich, wie mir geheißen.
»Ich hab mit dem Pfarrer geredet, weißt. Und der hat mir erzählt, dass du dieses Seminar nicht besucht hast.«
Aha, daher weht der Wind. Der Pfarrer, dieses alte Waschweib. Ich schnauf erst einmal tief durch.
»Da brauchst jetzt gar nicht so schnaufen, Franz. Weil so eine Ehe, das ist schon was Ernstes, weißt. Du hast sie doch lieb, deine Susi?«
»Ja, freilich«, sag ich und nicke.
»Eben. Und drum ist diese Ehe auch richtig. Und sie ist gut. Ihr zwei seid jetzt schon so lang beieinander, da muss man langsam Nägel mit Köpf machen, gell. Ich wollt, ich hätte das auch machen können damals, wie ich noch jung war. Den Mann heiraten, den ich aus ganzem Herzen heraus lieb gehabt hab. Aber die Zeiten waren schlecht seinerzeit, Franz. Und das Schicksal hat es anders mit mir gemeint. Weißt, ich … ich hab erst uralt werden müssen, bis mir meine große Liebe vergönnt war. Und dann auch nur für ein paar Wochen«, sagt sie weiter, und ihre Stimme versagt.
»Geh, Oma«, sag ich und leg den Arm um sie. »Du und der Paul, ihr habt doch noch eine so schöne Zeit gehabt. Kurz zwar, das ist richtig.
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