Franz G. - Thriller (Wegners schwerste Fälle) (German Edition)
passiert?«
»Wir
haben seinen besten Freund aus einem Straßengraben gezogen, am Flughafen.«
Herta
schaute überrascht und besorgt dazu. Nach kurzem Zögern nahm sie einen Becher
und füllte ihn wie befohlen. Danach reichte sie ihn jedoch nicht an Wegner
weiter, sondern stapfte schwerfällig um den Tresen herum. »Den schau ich mir
mal an, bevor du den armen Kerl noch völlig einschüchterst.«
Wie eine
Dampfwalze eilte die Kantinenfrau nun unerwartet flinken Schrittes voraus,
sodass ihr der Hauptkommissar kaum zu folgen vermochte.
»Herta –
warst du Teil der ostdeutschen Leichtathletik-Mannschaft?«
»Früher
hab ich tatsächlich Sport getrieben, du Schlauberger.«
»Wahrscheinlich
Kugelstoßen«, stieß Wegner gegen die aufsteigenden Lachtränen heraus.
Im Büro angekommen
setzte sich Herta neben den Jungen und umarmte ihn, als ob es sich um ihren
lange verlorenen Sohn handelte. Wie Tentakeln umschlossen ihre massigen Arme
seinen dürren Körper und drückten seinen Kopf an den voluminösen Busen. Jetzt
knurrte sogar Rex, der ihr nur widerwillig Platz gemacht hatte.
»Herta!«,
protestierte Wegner energisch, »lass den Jungen am Leben ... der wird noch
gebraucht.«
»Halt
die Klappe, Manfred. Du siehst doch, dass er es braucht. Am besten nervst du
die Kollegen vorne in der Wache und überlässt das hier einem Profi. Also sieh
zu, dass du wegkommst.«
»Dann
komm ich wieder, wenn die Burger da sind.«
»Burger?
Du hast wohl `n Vogel ... ich koche für den Jungen.«
»Aber
nur nach seiner Aussage – falls er es nicht überlebt.«
***
Mehr
kriechend als laufend hatte Gerber erst lange nach Pascal die schwere Stahltür
erreicht. Hecktisch sah er sich um, ohne auch nur eine Spur von dem Jungen
erkennen zu können. Nach links ins dichte Unterholz war er wohl kaum geflohen.
Viel zu undurchdringlich wirkten Sträucher und Hecken auf einen verängstigten
Menschen, der zweifellos sein Heil in kopfloser Flucht suchte. Wohin würde
er selbst in einem solchen Moment fliehen? Welcher Weg würde sich objektiv
anbieten, um schnellstmöglich zu entkommen?
Erneut
drangen die dauerhaften Geräusche der nahegelegenen Bundesstraße an seine
Ohren. So schnell, wie es das dumpfe Pochen in seinen Lenden zuließ, eilte
Gerber nun zu seinem Auto und entriegelte die Türen bereits von Weitem.
Grollend nahmen die acht Zylinder ihre Arbeit auf und katapultierten den
schweren Mercedes schon wenig später energisch nach vorne. Die Automatik hatte
noch nicht einmal in die vierte Fahrstufe gewechselt als er dann, in etwa
zweihundert Meter Entfernung, Pascal entdeckte. Der Junge rannte, in leicht
nach vorne gebückter Haltung, so schnell, wie es die Handschellen zuließen.
Sein Ziel? - zweifellos die B432, die hinter den lichter werdenden Baumreihen
bereits zu erkennen war.
Gerber
trat das Gaspedal voll durch, um festzustellen, dass nun sogar die
Anti-Schlupf-Regelung ihre Arbeit aufnahm. Immer schneller und schneller raste
der Mercedes auf den Jungen zu, der sich hektisch umsah und jetzt versuchte, in
den Straßengraben auszuweichen. Als er kurz darauf über einen Grenzstein
stolperte und der Länge nach auf dem groben Schotter aufschlug, ballte Gerber
innerlich die Siegerfaust. Dieser Bengel würde ihm nicht entkommen und damit
Gelegenheit finden ihn oder sein Versteck zu verraten.
***
Nachdem Pascal
die Tür hinter sich gelassen hatte, verharrte er ein paar Sekunden, um gierig
die frische Luft in seine Lungen zu saugen. Er schaute an sich hinab. Erst
jetzt bemerkte er, dass er nur einen Schuh trug. Wo der zweite geblieben war,
konnte er sich nicht erklären, aber umzudrehen kam für ihn definitiv nicht in
Frage. Plötzlich ärgerte er sich, dass er diesem perversen Schwein nicht noch
ein paar weitere Tritte und Schläge verpasst hatte. Stattdessen war er seinem
Fluchtreflex gefolgt, der nur eines wollte: weg von hier.
Einen
kurzen Moment lang war er zwischen den verfallenen Gebäuden umhergeirrt, bis er
das Auto und den dahinterliegenden verwachsenen Weg erkannt hatte. Wie ein
Fuchs, auf der Flucht vor einer Schar von Jägern, raste er danach über den scharfkantigen
Schotter, ohne dabei Rücksicht auf seinen Fuß zu nehmen. Immer lauter wurden
schon bald die Motorengeräusche, welche von der vierspurigen Bundesstraße
herüberdrangen. Hier und da konnte er durch die Bäume bereits größere
Geländewagen und LKWs erkennen. Ein stetiger Strom, der hier niemals versiegte,
selbst in der Nacht nicht. Er
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