Franz G. - Thriller (Wegners schwerste Fälle) (German Edition)
und ließ seine Frau
einfach zeternd im Flur zurück. Draußen war es bereits dunkel. Durch die
Dachfenster konnte er die Lichter Hamburgs erkennen. Seltsame Gedanken regten
sich in ihm. Vor ein paar Stunden hatte er einen zweiten Jungen getötet – und
das, ohne auch nur mit der Wimper zu zucken.
Nur ein
paar Sekunden saß er noch im Auto, nachdem er Pascal ein weiteres Mal überrollt
hatte. Danach, auch weil sich in der Ferne die Blaulichter wieder bewegten,
hatte er den leblosen Körper eilig in seinen Kofferraum geworfen. Dieses Mal
jedoch würde er die Leiche nicht irgendwo leichtfertig entsorgen, sondern
stattdessen in einem der heruntergekommenen Nebengebäude lagern. Über den
dummen Fehler mit dem ersten Jungen ärgerte er sich heute noch jeden Tag. Warum
er damals dieses dringende Bedürfnis verspürte, die Leiche so schnell wie
möglich loszuwerden, konnte er nicht erklären. Nur dass er sich ekelte und
nicht länger in die toten Augen starren wollte.
Nachdem
die Tür zu einem besonders maroden Nebengebäude geöffnet war, fiel es ihm
leicht, Pascals leblosen Körper unter einem Haufen von Brettern und Pappen zu
verstecken. Oben drauf streute er noch Berge von Laub, die der Herbstwind durch
die kaputten Fenster hineingetragen hatte. Hier würde niemand nach einem toten
Jungen suchen – warum auch? Er hatte kurz überlegt, ob er die Leiche
zerstückeln sollte, um sie besser in Einzelteilen zu entsorgen, verwarf diesen
Gedanken jedoch schnell wieder. Zukünftig, so beschloss er es bereits, als er
mit einem neuen Vorhängeschloss die Tür verriegelte, galt es umsichtiger zu
agieren. Fehler wie die Letzten dürften ihm nicht mehr unterlaufen.
»Wenn du
noch etwas essen willst, dann solltest du deinen Arsch schleunigst in die Küche
bewegen«, schrie Waltraut von unten und riss Gerber damit aus seinen Gedanken.
»Ich betreibe hier doch kein Restaurant.«
Mit
jedem Schritt, die Treppe hinunter, fühlte er, wie seine Beine schwerer und
schwerer wurden. Am Küchentisch angekommen fiel er kraftlos auf die Bank und
vergrub das Gesicht in seinen Händen. Durch die Finger betrachtete er seine
Frau, die mit energischen, lustlos wirkenden Bewegungen, das Essen auf seinen
Teller klatschte. »Guten Appetit«, brummte sie unfreundlich, »und vergiss nicht
abzuspülen, wenn du fertig bist, sonst kann ich morgen wieder stundenlang
herumschrubben.«
Nicht
mal für ein Dankeschön wollte es reichen, nachdem sie den Teller vor die Nase
gestellt hatte. Er hatte keinen Appetit und erst recht keinen Hunger. Am
liebsten hätte er ihr den Fraß einfach vor die Füße geworfen und ihr dann mit
dem stumpfen Messer die Kehle aufgeschlitzt, bis sie endlich ihr verdammtes
Schandmaul hielte. Stattdessen schaute er nun auf und versuchte sogar
freundlich zu lächeln. »Is` nett ... danke Waltraut«, kam es ihm zögernd und
widerwillig über die Lippen, als ob diese Worte gar nicht aus seinem Munde
stammten.
»Ich geh
früh schlafen, also mach nicht so einen Lärm, wenn du später hochkommst. Ein
bisschen Rücksicht könnte dir nicht schaden.«
Als er
sie jetzt von hinten sah, entspannte sich sein Körper zum ersten Mal. Jede
Minute ohne Waltraut war ein Geschenk – machte die Welt bunt und erträglich.
Jede Einzelne mit ihr hingegen, bedeutete nur weitere Peinigungen und
Streitereien, derer er schon lange überdrüssig war.
Nur eine
halbe Stunde verging, bis er hörte, wie sie träge die Treppe emporstieg. Für
ein »Gute Nacht« oder zumindest eine ähnliche Verabschiedung gab es kaum einen
Anlass. Wenig später knarrte ihr Bett über ihm. »Jetzt eine Schrotflinte in der
Hand«, flüsterte er vor sich hin, »ich würde ein Dutzend Patronen durch die
Decke jagen, bis das Knarren endlich aufhört und ihr Blut auf den Küchentisch
tropft.«
Wirklich
geliebt hatte er Waltraut nie. Außenstehende würden es im Nachhinein als
Vernunftsehe bezeichnen, die am wenigsten auf Sympathie oder gar Gefühlen
beruhte. Aus mangelnder Liebe und Zuneigung entwickelte sich schnell tief
verwurzelter Hass. Gerber erinnerte er sich an keinen harmonischen Tag, den sie
in den letzten fünfzehn Jahren gemeinsam erlebt hätten. Stattdessen schnürte
sich sein Magen schon seit Ewigkeiten zusammen, wenn er abends die Haustür
aufschloss. Er ekelte sich vor ihr, verabscheute ihren aufgedunsenen Körper und
konnte sich nicht einmal mehr vorstellen, sie zu berühren oder es womöglich
sogar mit ihr zu treiben.
***
»Ich
habe mit Herta
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