Franz G. - Thriller (Wegners schwerste Fälle) (German Edition)
nicht mehr in der Lage dazu, sich
zu wehren. Auf einen Zufall zu hoffen, könnte sich am Ende als gefährlich
erweisen – vermutlich sogar als tödlich.
***
Das
Zimmer in der Pension hatte Franz Gerber einen Tag früher geräumt, als geplant.
Der Wirt beäugte ihn bei seiner Abreise nur mürrisch und erstattete ihm am Ende
sogar die Hälfte der erhaltenen Vorauszahlung für die letzte ungenutzte Nacht.
»Wenn se sich dat mal vorher überlejen, können se och wat sparen, juter Mann.«
Mit diesen Worten hatte er ihn muffelig verabschiedet, um sich dann wieder
genüsslich dem Vormittagsprogramm zu widmen.
Die
verlorenen vierzig Euro waren ihm völlig egal. Er war auf dem Weg hinaus nach
Norderstedt und das, was in der Kiste auf ihn wartete, wirkte bei Weitem
wertvoller als ein paar verschwendete Euro.
Mit
weichen Beinen und einem Zittern, das ihn fast bis unter sein aufgeklebtes
Toupet erfüllte, fuhr er die letzten Meter in Richtung Halle. Dieses Grundstück
und die darauf befindlichen Gemäuer hatte er vor zwei Jahren mehr als günstig
gekauft. Wozu er es einmal verwenden wollte, war ihm damals nicht bewusst. Nur,
dass er bei einem solchen Preis nicht »nein« sagen konnte, stand seinerzeit
außer Frage.
Heute,
nachdem er eine der weitestgehend unversehrten Hallen zu seinen Zwecken
umgebaut hatte, erschien ihm dieser spontane Kauf umso mehr als ein
Glücksgriff. Nachbarn gab es keine. Auch Spaziergänger oder Jogger mieden das
unwägbare Gelände, denn Gerüchte besagten, dass es hier sogar ein paar
Kreuzottern gäbe, die ahnungslosen Besuchern auflauerten. Gerber selbst
interessierte das nicht – ganz im Gegenteil. Diese Abgeschiedenheit und Ruhe
boten ideale Voraussetzungen, um in beispielloser Einsamkeit ungestört agieren
zu können – und das so dicht am Rande einer Großstadt.
Er stieg
aus und lauschte in die Stille hinein. Manchmal hatte er den Eindruck, dass
selbst die meisten der Tiere diesen Ort gründlich mieden – warum auch immer. Kein
Laut war zu hören. Nur das sonore Brummen, welches von der mindestens einen
Kilometer entfernten B432 herüberdrang.
Auf
weichen Beinen machte er sich auf den Weg Richtung Halle. Ein ahnungsloser
Beobachter hätte zweifellos vermutet, dass an diesem Ort schon seit Ewigkeiten
niemand mehr eine Minute länger verbrachte, als unbedingt notwendig. Der Boden
war mit verschiedenen Schrottteilen förmlich übersät. Hier und da ragten
mächtige Betonteile empor, deren Seiten vom Regen längst glattgewaschen waren. Überall
wuchsen Unkraut und Gras, selbst zu dieser Jahreszeit, im Spätherbst, noch
hüfthoch. Die Gebäude wirkten allesamt verfallen und nur ein Lebensmüder hätte
sich, unter normalen Umständen, in eine dieser Ruinen hineingetraut. Nur das
fabrikneue riesige Vorhängeschloss wäre einem aufmerksamen Betrachter
vielleicht aufgefallen. Dass hier jemand etwas verbergen wollte, oder zumindest
Unbefugten den Zutritt verwehrte, stand außer Frage.
Gerber
steckte den glänzenden Schlüssel ins Schloss und öffnete mit geschickten
Handgriffen die beiden Riegel, welche die Tür geschlossen hielten. Bevor er
damals die Firma seines völlig überraschend verstorbenen Vaters übernahm, hatte
er eine Tischlerlehre absolviert, was er bis heute keinen Tag bereute. Auch
sein alter Herr sagte immer, dass ein handwerklicher Beruf ihn zu jeder Zeit
ernähren könne, ganz gleich wie das Leben sich entwickeln würde. Mit einer
winzigen Klitsche beginnend, war es Gerber in den folgenden Jahren gelungen,
den Betrieb zu einem der führenden Bauunternehmen Hamburgs zu machen. Als er
dann Waltraut kennenlernte, glaubte er schon, am Ziel seiner Träume angelangt
zu sein. Schnell stellte sich jedoch heraus, dass es zwar ein Traum war – aber
kaum einer von der angenehmen Sorte. Immer mehr und mehr wollte Waltraut und
war am Monatsende nie zufrieden, ganz gleich, wie viel Geld auf seinem Konto
ankam. Sie terrorisierte ihn an jedem Tag, beschimpfte ihn aufs Übelste und
nannte ihn nicht selten einen Versager. Als sie damit begann ihn zu schlagen,
wollte sein Verstand keine andere Möglichkeit finden, als auf Flucht zu setzen.
Oft genug, wenn er sich zaghaft wehrte, erinnerte sie ihn an all die kleinen
Geheimnisse, von denen sie wusste. Der Weg nach oben war nicht immer sauber und
ohne Abweichungen verlaufen. Als Buchhalterin der Firma kannte Waltraut die
Tricks nur zu gut, welche es gelegentlich zu nutzen galt, um am Jahresende
nicht das sauer Verdiente an den Fiskus
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