Franz G. - Thriller (Wegners schwerste Fälle) (German Edition)
stabilen Tacker, mit
dem er zuletzt das Fliegengitter der Terrassentür befestigt hatte. Zuerst
schoss er ein paar der Klammern durch die Ärmel ihrer Strickjacke, weil ihre
Arme einfach nicht auf der Tischplatte liegen bleiben wollten. Ihr Kopf war
schon lange auf die Brust gesunken. Nachdem er einige Haarsträhnen an das Holz
der Küchenbank getackert hatte, ragte ihr Haupt nun aufrecht empor und sie
konnte sogar aus dem Küchenfenster schauen. Nur dass ihre Augen ständig
zufielen, störte ihn erheblich. Mit jeweils drei Klammern befestigte er dann
ihre Augenlider leicht unterhalb der Brauen. Eine Strähne, die wieder und
wieder in ihr Gesicht fiel, fixierte er kurzerhand, mit zwei knackenden
Schüssen, direkt auf ihrem Kopf.
Als er
ihr kurze Zeit später erneut gegenübersaß, kommentierte er zufrieden sein
eigenes Werk. »Du siehst heute gut aus, Waltraut. Deine Bluse gefällt mir ...
ist die neu?«
Sie
wollte nicht antworten. Ein seltener, aber umso schönerer Zustand, den er
genießen würde. Endlich war ihre Ehe glücklich. Harmonische Gespräche standen
ihnen bevor – zweifellos einseitig – dafür jedoch immer mit einem guten Ende,
das nicht aus Streit oder weiteren Peinigungen bestünde.
»Wie
findest du den hier, Waltraut? … Er, fast achtzehn, sucht ihn für romantische
Treffen nach Feierabend.« Gerber studierte eine Internetseite, auf der viele
junge Männer ihr Liebesdienste ganz unverblümt anboten. »Besuche sie auch
zuhause oder im Büro.« Er grübelte eine Weile. »Klingt doch gut – oder meinst
du nicht, Waltraut?«
Sein
Fokus hatte sich auf sonderbare Weise fast über Nacht verändert. So
erschreckend, wie es war, aber es war nicht mehr der Sex, der ihn gedanklich
auf den Gipfel der Lust trieb. Nicht das Eindringen in ihre Körper, die weichen
Lippen, die sich mehr oder weniger geschickt um seinen kümmerlichen Schwanz
legten. Lange an sich halten konnte er es ohnehin nicht. Oft genug war es schon
nach ein paar Minuten vorbei und er, danach, ernüchterter als noch zuvor.
Es war
das Töten. Das Gefühl Herr über Leben und Tod zu sein. Er gierte nach diesem
besonderen Moment ... nach ihrer Angst und dem Flehen in ihren Augen. Der dann
unmittelbar folgenden Gewissheit, dass es vorbei wäre, wenn sie den letzten
armseligen Rest ihres jämmerlichen Lebens aushauchten.
***
Ein
grauer Passat hielt direkt vor Sven am Straßenrand an. Typisches Vertreterauto
dachte er noch, als bereits das Seitenfenster herunterfuhr. Der Fahrer,
vermutlich in Sachen Schrauben, Werkzeug oder Kopierern unterwegs, lächelte ihm
zaghaft zu. »Bist du einer von den ...?« Flüsternd, das finale Wort bewusst
auslassend, beugte er sich dann ein wenig zur Beifahrerseite hinüber.
»...
Strichjunge – richtig!«, Sven hatte ihm deutlich lauter als erforderlich
geantwortet und freute sich über die Farbe, welche jetzt das Gesicht des Mannes
zum Leuchten brachte.
»Steig
ein!«, diese Aufforderung klang zwar nicht besonders freundlich, aber das
Wetter war erbärmlich. Die wohlige Wärme, die Sven aus dem Inneren des Wagens
entgegenschlug, wirkte in diesem Moment mehr als einladend.
Er
schwang sich auf den Beifahrersitz, von dem der Mann kurz zuvor hektisch ein
paar Prospekte gerissen und diese achtlos auf die Rückbank geworfen hatte.
Jetzt war auch klar, womit dieser Kerl sein Geld verdiente: Gabelstapler. Es
handelte sich jedoch um ein Fabrikat, das Sven nicht mal kannte. Wahrscheinlich
irgendein Billiganbieter, der, mit Kapital und Ausdauer im Rücken, den
deutschen Markt zu erobern versuchte. Ansonsten war es das typische Auto eines
Vertreters: Der Aschenbecher quoll über, die Getränkehalter umarmten leere
Coladosen und aus den Seitenfächern ragten Burgerschachteln und Bonbonpapiere
heraus. Sven kannte Männer wie den, der in diesem Augenblick neben ihm saß und
nervös am Schalthebel fingerte. Der Kerl war verheiratet – zumindest trug er
einen Ring. Wahrscheinlich warteten zuhause auch zwei oder sogar drei Kinder
auf ihn, mit denen er abends `Mau-Mau` und `Mensch ärgere dich nicht` spielte.
Ein braver Familienvater, natürlich Mitglied der Freiwilligen Feuerwehr, der
sich im kleinen Ort ehrenamtlich engagierte, vermutlich in der Betreuung von
Jugendlichen.
»Du
sollst mir nur mal schnell einen blasen«, stieß der verschwitzte Kerl jetzt
aufgeregt hervor, »... mehr nicht.«
Sven
betrachtete die Hose des Mannes. Tiefe Falten zierten den dünnen Stoff, in
Kniekehlen und Leisten, die wie
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