Franz G. - Thriller (Wegners schwerste Fälle) (German Edition)
knurrend
ließ sich der Hund nun ungelenkig auf der Rückbank nieder, um gleich wieder
aufzuspringen und einen Pudel im benachbarten Auto anzubellen.
»Rex!
Leg dich hin, sonst schmeiß ich dich direkt hier auf der Kreuzung raus. Dann
kannst du dir ein anderes Opfer suchen.« Wegner dachte an die Zeit vor Vera.
Viele Jahre war dieser alte Schäferhund sein einziger Weggefährte gewesen. Sie
hatten Freud und Leid gerecht geteilt und keiner wollte auch nur einen Tag ohne
den anderen verbringen.
Seit ein
paar Monaten jedoch, insbesondere nachdem die beiden bei Vera eingezogen waren,
war der Hund ganz eindeutig zu kurz gekommen. Immer häufiger musste Wegner ihn
bei einem Nachbarn abgeben oder über Nacht bei einem Kollegen im Revier
zurücklassen. Vera reagierte teilweise fast hysterisch, wenn Rex mal wieder mit
einem zerkauten Strampler durch die Wohnung lief oder im zukünftigen
Kinderzimmer einfach nur kräftig furzte. Wie er in Zukunft all diese Dinge
unter einen Hut bringen sollte, insbesondere nach der Geburt seiner Tochter,
war Wegner ein komplettes Rätsel. Aber wie hatte es schon sein Vater immer so
schön gesagt: »Junge, die meisten Probleme löst die Zeit für uns.« Recht hatte
der alte Herr. Außerdem klang es bequem und sorgte dafür, dass man diese trüben
Gedanken schnell wieder verjagen konnte.
Wegner
bog auf den schmalen Weg ein, der zur Adresse passen sollte, die er sich notiert
hatte. Hinten bellte Rex einem Kaninchen hinterher, das sich eiligst aus dem
Staub machte. Nach paar hundert Metern konnte der Hauptkommissar einige
verfallene Gebäude erkennen, die im trübherbstlichen Tageslicht Kriegsruinen
glichen. Er stoppte den Wagen, stieg aus, und öffnete Rex die Tür. Sofort war
zu sehen, dass der Hund das Kaninchen keineswegs vergessen hatte und ihm am
liebsten hinterher gelaufen wäre, bis es wahrscheinlich am Ende in seinem Bau
verschwinden würde. Ein kurzes »Rex!« reichte jedoch aus, damit sich die
Gedanken des ausgemusterten Polizeihundes wieder auf sein Herrchen
konzentrierten.
Wegner
stapfte über den hochbewachsenen Weg und bog zuerst nach links ab, um mit den
kleineren Gebäuden zu beginnen. Am Ersten angekommen, zog er an der verrosteten
Stahltür, die sich nur widerwillig knarrend öffnete. Im Inneren war es dunkel.
Nur wenig Licht fiel durch die schmalen Fenster, deren Gitter mit Spinnweben
vollständig überdeckt waren. Ansonsten war hier nur eine schmutzige
Betonfläche, auf der bereits einige der morschen Dachbalken lagen. Die Tür
schloss Wegner gar nicht erst, sondern machte sich gleich zum nächsten Gebäude
auf, das nur ein paar Meter entfernt, am Rande einer dichtbewachsenen Hecke
hochragte. Rex war vorausgeeilt und schnupperte aufgeregt in die Luft. Jetzt
schlug auch Wegner der typische Gestank entgegen, den verwesende Körper
zwangsläufig versprühen. Ein paar Schritte weiter stach ihm das glänzende
Vorhängeschloss ins Auge, welches an dieser Stelle mehr als unpassend wirkte.
Da er in der näheren Umgebung nichts Geeignetes fand, um das Schloss zu
knacken, tastete er sich nun mit vorsichtigen Schritten um das Gebäude herum.
Kurz darauf erreichte er ein Fenster, dessen kleine quadratische Scheiben zum
größten Teil eingeschlagen waren. Widerlicher Gestank schlug ihm entgegen und
raubte ihm augenblicklich den Atem. Er spürte, wie sich sein Magen umdrehen
wollte, um das spärliche Frühstück wieder herauszuwürgen. Wegner drehte sich
zur Seite und versuchte frischere Luft in seine Lungen zu saugen. Jetzt hielt
er den Atem an und zog die Taschenlampe aus seinem Gürtel, die zur
Standardausrüstung in jedem Dienstfahrzeug gehörte. Der Strahl stach wie eine
Säule durch das verstaubte Innere der kleinen Halle und vertrieb gleich gut ein
halbes Dutzend Ratten, die sich aufgeregt unter ein paar Müllsäcke verkrochen.
Wegner ließ die trübe Lichtsäule zuerst zur Tür, und dann in die
gegenüberliegende Ecke wandern. Er zuckte zusammen, als er nun den Rest eines
Unterschenkels erkannte. Die Fußnägel daran waren lackiert. Es handelte sich
also eindeutig um den Schenkel einer Frau. Dahinter lag ein weiterer Fuß –
zweifellos von einem Kind oder einem Jugendlichen stammend. Ein halber Kopf,
ebenfalls der eines Jungen, ragte aufrecht aus einem der Säcke empor. Seine
Nase hatten die Ratten bereits gefressen, und wie Wegner unschwer erkannte,
wollte sie sich als Nächstes seinen Ohren widmen. Mehr und mehr Leichenteile
konnte er im blassen Strahl der Taschenlampe
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