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Franz Sternbalds Wanderungen

Franz Sternbalds Wanderungen

Titel: Franz Sternbalds Wanderungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ludwig Tieck
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begreife nicht«, sagte Rudolph, »was in jeder Geschichte anders noch als Geschichte sein kann, mir war es lieb, daß es nicht zur Erzählung kam, denn schon in den Büchern ist es mir immer sehr verhaßt gewesen, wenn auf eine ähnliche Frage und unnötige Veranlassung eine Novelle oder Historie vorgetragen wird, und in dem Augenblick, als er sich zum Vortrage anschickte, gemahnte es mir gerade so, als wenn ich ein solches Buch läse.«
    Ein Fußsteig führte sie in einen dichten kühlen Wald hinein, und sie bedachten sich nicht lange, ihm nachzugehen. Eine erquickende Luft zog durch die Zweige, und der mannigfaltigste, anmutigste Gesang von unzähligen Vögeln erschallte. Es war ein lebendiges Gewimmel in den Gebüschen; die buntgefiederten Sänger sprangen hier- und dorthin: die Sonne flimmerte nur an einzelnen Stellen durch das dichte Grün.
    Beide Freunde gingen schweigend nebeneinander, indem sie des schönen Anblicks genossen. Endlich stand Rudolph still und sagte: »Wenn ich ein Maler wäre, Freund Sternbald, so würde ich vorzüglich Waldgegenstände studieren und darstellen. Schon der Gedanke eines solchen Gemäldes kann mich entzücken. Wenn ich mir unter diesen dämmernden Schatten die Göttin Diana vorübereilend denke, den Bogen gespannt, das Gewand aufgeschürzt und die schönen Glieder leicht umhüllt, hinter ihr die Nymphen in Eil und die Jagdhunde springend, so wird mir dies von selbst zum Bilde. Oder stelle dir vor, daß dieser Fußweg sich immer dichter in das Gebüsch hineinwindet, die Bäume werden immer höher und wunderbarer, plötzlich steht eine Grotte, ein kühles Bad vor uns, und in ihm die Göttin, mit ihren Begleiterinnen, entkleidet. Da ist die Einsamkeit, Grün, Felsen und Baum und die nackte Schönheit majestätischer, hoher und jungfräulicher Leiber vereinigt: füge vielleicht den Aktäon hinzu, so tritt jener wundersame Schreck und die seltsame Freude noch in das Gemälde, in seinen Hunden kannst du schon die tierische Wut und den Blutdurst darstellen, so ist hier das Widersprechendste in ein poetisches Bild notwendig und schön verknüpft.«
    »Oder«, sagte Franz, »hier im tiefen Walde die Leiche eines schönen Jünglings, und über ihm ein Freund und die Geliebte im tiefsten Schmerz, vielleicht Venus und Adonis, oder ein lieblicher Knabe, von wilden Räubern erschlagen: die dunkelgrünen Schatten, unter ihnen die blendenden Jugendgestalten, der frische Rasen, die einzelnen, zerspaltenen Sonnenstrahlen von oben, die nur das Gesicht und einzelne kleine Teile hell erleuchteten, der Eber, oder die Räuber in der Ferne, wie von Gewitterschatten eingehüllt, alles dies zusammen müßte ein vortreffliches Gemälde der Schwermut und Schönheit ausbilden.«
    »Fühlst du nicht oft«, fuhr Rudolph fort, »einen wunderbaren Zug deines Herzens dem Wunderbaren und Seltsamen entgegen? Man kann sich der Traumbilder dann nicht erwehren, man erwartet eine höchst sonderbare Fortsetzung unsers gewöhnlichen Lebenslaufs. Oft ist es, als wenn der Geist von Ariosts Dichtungen über uns hinwegfliegt, und uns in seinen kristallenen Wirbel mit fassen wird; nun horchen wir auf und sind auf die neue Zukunft begierig, auf alle die Erscheinungen, die an uns mit bunten Zaubergewändern vorübergehen sollen: dann ist es, als wollte der Waldstrom seine Melodie deutlicher aussprechen, als würde den Bäumen die Zunge gelöst, damit ihr Rauschen in verständlichem Gesang dahinrinne. Nun fängt die Liebe an, auf fernen Flötentönen heranzuschreiten, das klopfende Herz will ihr entgegenfliegen, die Gegenwart ist wie durch einen mächtigen Bannspruch festgezaubert, und die glänzenden Minuten wagen es nicht zu entfliehen. Ein Zirkel von Wohllaut hält uns mit magischen Kräften eingeschlossen, und ein neues verklärtes Dasein schimmert wie rätselhaftes Mondlicht in unser wirkliches Leben hinein.«
    »O du Dichter!« rief Franz aus, »wenn du nicht so leichtsinnig wärst, solltest du ein großes Wundergedicht erschaffen, voll von gaukelndem Glanz und wandelnden Klängen, voll Irrlichter und Mondschimmer; ich höre dir mit Freuden zu, und mein Herz ist schon wunderbar von diesen Worten ergriffen.«
    Nun hörten sie eine rührende Waldmusik von durcheinanderspielenden Hörnern aus der Ferne; sie standen still und horchten, ob es Einbildung oder Wirklichkeit sei: aber ein melodischer Gesang quoll durch die Bäume ihnen wie ein rieselnder Bach entgegen, und Franz glaubte, die Geisterwelt habe sich wohl plötzlich

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