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Franz Sternbalds Wanderungen

Franz Sternbalds Wanderungen

Titel: Franz Sternbalds Wanderungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ludwig Tieck
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beide spornten ihre Rosse und flogen mit gleicher Eile über die Ebene, Rudolph jauchzte, als er seinem Mitkämpfenden Vorsprung abgewann; die übrigen folgten langsam unter einer fröhlichen Musik der Hörner.
    Es war um die Mittagszeit, als der Zug im Schlosse ankam, und die ganze Gesellschaft setzte sich bald darauf zur Tafel; die schöne Jägerin war aber nicht zugegen. Die Tischgesellschaft war desto lustiger, Rudolph, vom Reiten erhitzt, und da er überdies noch vielen Wein trank, war er beinahe ausgelassen, um so mehr aber belustigte er die Gesellschaft, die es nicht müde wurde, seine Einfälle zu belachen. Franz fühlte sich gegen seine Leichtigkeit unbeholfen und ohne alle Fähigkeit Scherz und Lachen zu vernehmen. Ein ältlicher Mann, der im Hause aufbewahrt wurde, galt für einen Dichter: er sagte Verse her, die ungemein gefielen, und noch mehr deswegen, weil er sie ohne Vorbereitung singen oder sprechen konnte. Unter dem lautesten Beifall der Gesellschaft sang er folgendes Trinklied:
    »Die Gläser sind nun angefüllt,
Auf, Freunde, stoßet an,
Der edle Traubensaft entquillt
Für jeden braven Mann.
Es geht von Mund zu Mund
Das volle Glas in die Rund,
Wer krank ist trinke sich gesund.
        Es kommt vom Himmel Sonnenschein
Und schenkt uns Freud und Trost,
Dann wächst der liebe süße Wein,
Es rauschet uns der Most.
Es geht von Mund zu Mund
Das volle Glas in die Rund,
Wer krank ist trinke sich gesund.«

Da alle das Talent des Mannes bewunderten, sagte Rudolph im Unwillen: »Es geschieht dem Wein keine sonderliche Ehre, daß Ihr ihn auf solche Art lobt, denn es klingt beinahe, als wenn Ihr aus Not ein Dichter wäret, der den lieben Wein nur besingt, weil er sich diesen Gegenstand einmal vorgesetzt hat; es ist wie ein Gelübde, das jemand mit Widerwillen bezahlt. Warum quält Ihr Euch damit, Verse zu machen? Ihr könnt den Wein so durch funfzig Strophen verfolgen, von seiner Herkunft anfangen und seine ganze Erziehung durchgehn. Ich will Euch auf diese Art auch ein Gedicht über den Flachsbau durchsingen, und über jedes Manufakturprodukt.«
    »Das hören wir sehr ungern!« rief einer von den Jägern.
    »Wir haben den Mann immer für einen großen Dichter gehalten«, sagte ein andrer, »warum macht Ihr uns in unserm Glauben irre?«
    »Es ist leichter tadeln, als besser machen!« rief ein dritter.
    Der Poet selbst war sehr aufgebracht, daß ihm ein fremder Ankömmling seinen Lorbeer streitig machen wollte. Er bot dem berauschten Florestan einen dichterischen Zweikampf an, den die Gesellschaft nachher entscheiden sollte. Florestan gab seine Zustimmung, und der alte Sänger begann sogleich ein schönes Lied auf den Wein, das alle Gemüter so entzückte, daß Franz für seinen Freund wegen des Ausganges des Krieges in billige Besorgnis geriet.
    Während dem Liede war die Tafel aufgehoben, und Florestan bestieg nun den Tisch, indem er seinen Hut aufsetzte, der mit grünem Laube geputzt war; vorher trank er noch ein großes Glas Wein, dann nahm er eine Zither in die Hand, auf welcher er artig spielte und dazu sang:
    »Erwacht ihr Melodieen,
Und tanzt auf den Saiten dahin!
Ha! meine Augen glühen,
Alle Sorgen erdwärts fliehen,
Himmelwärts entflattert der jauchzende Sinn.
        In goldenen Pokalen
Verbirget die Freude sich gern,
Es funkeln in den Schalen
Ha! des Weines liebe Strahlen,
Es regt sich die Welle ein schimmernder Stern.
        In tiefen Bergesklüften,
Wo Gold und der Edelstein keimt,
In Meeres fernen Schlüften,
In Adlers hohen Lüften,
Nirgend Wein wie auf glücklicher Erde schäumt.
        Gern mancher sucht' in Schlünden,
Wo selber dem Bergmann graut,
In felsigen Gewinden,
Könnt er die Wonne finden,
Die so freundlich uns aus dem Becher beschaut.« –
    Rudolph hielt inne. »Ist es mir, Herr Poet«, fragte er bescheiden, »nun wohl vergönnt, das Silbenmaß ein wenig zu verändern?«
    Der Dichter besann sich ein Weilchen, dann nickte er mit dem Kopfe, um ihm diese Freiheit zuzugestehn. Rudolph fuhr mit erhöhter Stimme fort:
    »Als das Glück von der Erde sich wandte,
Das Geschick alle Götter verbannte,
Da standen die Felsen so kahl,
Es verstummten der Liebenden Lieder,
Sah der Mond auf Betrübte hernieder,
Vergingen die Blumen im Tal.
        Sorg und Angst und Gram ohne Ende,
Nur zur Arbeit bewegten sich Hände,
Trüb und tränend der feurige Blick,
Sehnsucht selber war nun entschwunden,
Keiner dachte der vorigen Stunden,
Keiner wünschte sie heimlich zurück.
    Nicht wahr«,

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