Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Franz Sternbalds Wanderungen

Franz Sternbalds Wanderungen

Titel: Franz Sternbalds Wanderungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ludwig Tieck
Vom Netzwerk:
hergegangen
Und kosten mit süßem Verlangen
Die neue Frucht, den glühenden Most,
und finden den Gott, den himmlischen Trost.
        In der Kelter springt der mutwillige Götterknabe,
Der Menschen allerliebste Habe,
Sie trinken den Wein, sie kosten das Glück,
Es schleicht sich die goldene Zeit zurück.
        Der schöne Rausch erheitert ihr Gesicht,
Sie genießen froh das neue Sonnenlicht,
Sie spüren selber Götter- und Zauberkraft,
Die ihnen die neue Gabe schafft.
        Die Blicke feurig angeglommen
Zwingen sie die Venus zurückzukommen,
Die Göttin ist da und darf nicht fliehn,
Weil sie sie mächtig rückwärts ziehn.
        Da schauen die Götter herab mit staunendem Blick,
Es kommt beschämt die ganze Schar zurück: –
›Wir wollen wieder bei euch wohnen,
Ihr Menschen bauet unsre Thronen.‹
        ›Was brauchen wir euch und euer Geschick?‹
So tönt von der Erde die Antwort zurück,
›Wir können euch ohne Gram entbehren,
Wenn Wein und Liebe bei uns gewähren.‹«
    Nun schwieg er still und legte mit einer anständigen Verbeugung die Zither weg. »Das ist nun gar gottlos!« riefen viele von den Zuhörern, »Euer Schluß ist das Unerlaubteste von allem, was Ihr uns vorgesungen habt.«
    Der Streit über den Wert der beiden Dichter fing von neuem an. Sternbald ward hitzig für seinen Freund, und da er ihn einigemal bei seinem Namen Florestan nannte, so ward der andere Poet dadurch aufmerksam gemacht; er fragte, er erkundigte sich, das Gespräch nahm eine andere Wendung. Man sprach von Vettern, Oheimen, Basen, in Deutschland, Italien und Frankreich, tausend Namen wurden genannt, viele Stammbäume entwickelt, und endlich fand es sich, daß die beiden Streitenden Verwandte waren: sie umarmten sich, freuten sich, einander so unverhofft anzutreffen, und es wurde nun weiter an keine Vergleichung ihrer Talente gedacht.

Viertes Kapitel
    Die Gesellschaft zerstreute sich hierauf, und Franz verließ nach dem Getümmel gern das Haus, um sich in den Schloßgarten zu begeben. Hier gesellte sich der Jäger zu ihm, der im Walde die Antwort des Liedes mit einer schönen vollen Stimme gesungen hatte, er war ein junger Edelmann, der einen der vornehmeren Dienste bei der Herrschaft versah, Arnold war sein Name. Seine Miene hatte etwas Schwermütiges und Leidendes, auch hatte er an den Scherzen und Streitigkeiten bei der Tafel keinen Anteil genommen. Er ging mit Franz in den schattigen Gängen auf und nieder, indem sie sich vertraulich von der heutigen Jagd, von Sternbalds Reise, und von der Schönheit der Gräfin unterhielten. »Da kömmt sie den Lindengang heruntergeschritten!« rief plötzlich der Jüngling mit einer lebhaften Empfindung aus, »seht, wie sich das reiche Gewand um den edlen Leib schmiegt, und der Purpur des Kleides mit den goldenen Spangen in der grünen Dämmerung schimmert, schon fliegt der Strahl der himmlischen Augen, um mich festzuhalten, aber heute wenigstens will ich einmal einer traurigen Freiheit genießen.« Mit diesen seltsamen Worten verließ er schnell den staunenden Maler. Die geschmückte Dame, die er anfangs nicht wiedererkannt hatte, schritt ihm im Gange freundlich entgegen, sie sah dem Jäger-Jünglinge vom Morgen nur wenig ähnlich. Sie begrüßte ihn freundlich, ihr Blick und ihre Rede waren holdselig, nach einem kurzen Gespräche entfernte sie sich wieder. Franz lehnte sich sinnend an einen künstlichen Springbrunnen, der mit seinen kristallenen Strahlen die Luft lieblich abkühlte, und ein sanftes Geräusch ertönen ließ, zu dem die nahen Vögel williger und angenehmer sangen. Er hörte auf den mannigfaltigen Wohllaut, auf den Wechselgesang, den der spielende Quell gleichsam mit den Waldbewohnern führte, und sein Geist entfernte sich dann wieder in eine entfernte wunderbare Zaubergegend.
    »Bin ich getäuscht, oder ist es wirklich?« sagte er zu sich selber; »ich werde ungewiß, ob mir allenthalben ihr süßes Bild begegnet, oder sie meine Phantasie nur in allen Gestalten wiedererkennt. Diese Gräfin gleicht ihr, die ich nicht zu nennen weiß, die ich suche und doch zögre, für die ich nur lebe und sie doch gewiß verliere.«
    Eine Flöte ertönte aus dem Gebüsch, und Franz setzte sich auf eine schattige Rasenbank, um den Tönen ruhiger zuzuhören. Als der Spielende eine Weile musiziert hatte, sang eine wohlbekannte Stimme folgendes Lied:
    »Holdes, holdes Sehnsuchtrufen
Aus dem Wald, vom Tal herauf:
Klimm herab die Felsenstufen,
Folge diesem Locken, Rufen,
Hoffnung tut

Weitere Kostenlose Bücher