Franziskus - Zeichen der Hoffnung: Das Erbe Benedikts XVI. und die Schicksalswahl des neuen Papstes (German Edition)
das Verhältnis der Päpste zu den USA katastrophal schlecht. Das liegt in der Natur der Sache: Die Verfassung der Vereinigten Staaten, wie sie im Jahr 1787 unterzeichnet wurde, bedeutete für die Päpste damals ein ungeheures Verbrechen gegenüber Gott. Die Amerikaner hatten – aus Sicht der Päpste – einen unverzeihlichen Frevel begangen, indem sie ihre Verfassung mit dem Satz beginnen ließen: »We the People of the United States«. Das war deshalb eine so unerhörte Sünde, weil es die von Gott gegebene Ordnung der Welt auf den Kopf stellte. Das Volk, also auch das der USA , hatte gar nichts zu melden, sich auch keine Verfassung zu geben. Gott hatte schließlich den Monarchen die Aufgabe auferlegt, die Völker wie im Staat der Kirche zu lenken und zu leiten. Dass der Pöbel sich jetzt eine eigene Verfassung gab und es wagte, im Namen des Volkes zu sprechen statt im Namen der von Gott legitimierten Herrscher, stellte eine Unverfrorenheit unerhörten Ausmaßes dar. Noch im folgenden Jahrhundert werden die Päpste die Grundlagen der Demokratie, wie in den USA praktiziert, klar und deutlich verurteilen. Der Syllabus der Fehler der Welt ( Syllabus complectens praecipuos nostrae aetatis errores ), den Papst Pius IX . im Jahr 1864 veröffentlichen wird, verurteilt als Reaktion auf den Aufstieg der USA aufs Schärfste jegliche Form von »Liberismus«, jegliche Rebellion des Menschen gegen einen absoluten Monarchen wie den Papst. Eines der berühmtesten Denkmäler der Welt, die Freiheitsstatue im Hafen von New York, ist dem Vatikan ein Dorn im Auge; sie ist für ihn Ausdruck der Weigerung der Amerikaner, sich der gottgegebenen Ordnung einer Monarchie unterzuordnen.
Erst langsam normalisiert sich das Verhältnis zwischen den USA und dem Vatikan. Die USA entwickeln nach und nach ein Interesse daran, ein gutes Verhältnis zum Vatikan aufzubauen, weil die Zahl der Katholiken in den USA ständig steigt. Zunächst hatten die Einwanderer aus Europa, vor allem aus Polen, Italien und Deutschland, die katholische Religion nach Amerika gebracht. Doch später sollten vor allem die Zuwanderer aus Mexiko die USA in eine immer katholischere Supermacht verwandeln. In dem am stärksten von Mexiko beeinflussten US -Bundesstaat, New Mexico, bekennen sich heute 97 Prozent der Bevölkerung zum Christentum, 44 Prozent davon sind Katholiken. Insgesamt ist etwa jeder vierte US -Bürger römisch-katholisch. Als Paul VI . im Oktober 1965 als erster Papst der Geschichte amerikanischen Boden betritt, kommt es zu einer starken Annäherung der USA an den Vatikan. Mit der Wahl Johannes Pauls II . intensiviert sich diese weiter. Bereits zu Beginn seines Pontifikates rücken der Vatikan und die USA so nahe zusammen wie nie zuvor in der Geschichte. US -Präsident Jimmy Carter erkennt sofort, dass die USA im Kalten Krieg gegen die Sowjetunion und ihre Satellitenstaaten einen wichtigen Verbündeten gewinnen können: den Vatikan.
Carter sorgt im Winter 1980 dafür, dass im Vatikan eine untergegangen geglaubte Tradition wieder auflebt: die systematische militärische Beratung des Papstes durch eine Supermacht. Während der Kriege der Renaissance in Italien gehörte es zu den selbstverständlichen Aufgaben eines Papstes, sich über Truppenbewegungen zu informieren. Schließlich musste er sein eigenes Heer leiten und lenken. Die Päpste haben Militärberater und Informanten bezahlt, die Truppen- und Flottenbewegungen der damaligen Supermächte Spanien, Frankreich, Venedig und des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation meldeten. Mit dem Zusammenbruch des Kirchenstaats 1870 schien diese Epoche zu Ende gegangen zu sein.
Doch Jimmy Carter persönlich wird es sein, der als Oberhaupt einer Supermacht den Papst in militärische Geheimnisse einweihen wird. Er ruft im Winter 1980/81 Papst Johannes Paul II . an und informiert ihn über die Lage in seinem Heimatland. US -Aufklärungssatelliten und -Flugzeuge haben starke Truppenbewegungen in den Warschauer-Pakt-Staaten aufgezeichnet. Die Rote Armee konzentriert ihre Divisionen an der polnischen Grenze, ebenso die NVA in der DDR . General Wojciech Jaruzełski ruft im Dezember 1981 das Kriegsrecht aus, angeblich um einen Einmarsch der Roten Armee in Polen abzuwenden. Auch Carters Nachfolger Ronald Reagan sieht in Papst Johannes Paul II . einen wichtigen Verbündeten. Im Jahr 1987 treffen die beiden in Miami zusammen. Nach dem Mauerfall lässt Ronald Reagan keinen Zweifel daran, dass das Sowjetimperium ohne die
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