Franziskus - Zeichen der Hoffnung: Das Erbe Benedikts XVI. und die Schicksalswahl des neuen Papstes (German Edition)
Unfähigkeit ein Eigentor. Papst Benedikt XVI . hätte sich ein gutes Jahr später an der Seite des Friedensnobelpreisträgers Barack Obama zeigen können. Weltweit verstehen Katholiken nicht, was dieser Besuch des Papstes im Weißen Haus bezwecken sollte. Auch im Staatssekretariat des Papstes wird Kritik laut.
Kardinalstaatssekretär Bertone regiert so falsch, wie es falscher nicht mehr geht: mit Trotz. Auf den Fehler, den er begangen hat, setzt er noch einen zweiten. Am 13. Juni 2008 bereitet der Vatikanstaat ausgerechnet George W. Bush den prächtigsten und außergewöhnlichsten Empfang in der modernen Geschichte des Vatikans. Mir sagte damals ein erfahrener Diplomat des Vatikans, dass sich Johannes Paul II . wohl im Grabe umgedreht habe. Denn dem Mann, den die Diplomatie Papst Johannes Pauls II . jahrelang bekämpfte, wird eine Ehre wie keinem anderen Staatschef in den vergangenen Jahren zuteil: Er darf den Papst nicht wie andere Staatsgäste in der Bibliothek, sondern in den Vatikanischen Gärten treffen, im Turm des heiligen Johannes, der nur extrem wichtigen Besuchern wie etwa dem Patriarchen von Konstantinopel vorbehalten ist. Zudem darf Bush in den Gärten vor der nachgebauten Grotte von Lourdes mit dem Papst beten, ebenfalls ein Privileg, das bisher noch keinem anderen Staatsoberhaupt zugestanden wurde. Jetzt wird Papst Franziskus den Kurs, der sich aus der starken Annäherung Bertones und Benedikts XVI . an George W. Bush ergab, korrigieren und der US -Diplomatie erklären müssen, dass die Haltung des Vatikans sich geändert hat.
Der Rücktritt
Vatikanstadt. Es ist der Vormittag des 11. Februar 2013. Der Pressesaal des Heiligen Stuhls wirkt auf den ersten Blick keineswegs wie ein Ort, an dem Weltgeschichte geschrieben wird. In den meisten Redaktionen auf dem Globus wissen die Journalisten nicht einmal, dass es diesen Pressesaal überhaupt gibt und wer dort arbeitet, aber das sollte sich an diesem Tag gegen Mittag schlagartig ändern.
Das Hauptproblem der Kollegen, die regelmäßig im Pressesaal des Vatikans tätig sind, besteht darin, dass der überwiegende Teil dessen, was der Vatikan mitteilen will, keinen Menschen interessiert. Im Pressesaal werden etwa Informationen darüber verbreitet, dass dem großen Kirchenlehrer Augustinus ein besonderes Jahr des Gedenkens gewidmet wird, dass im Jahr des Glaubens besonders nachhaltig für den Glauben gebetet werden soll oder dass der päpstliche Rat für die Angestellten im Gesundheitswesen sich für einen menschlicheren Umgang mit Kranken ausspricht. Ganz selten allerdings macht auch dieser Saal Furore, zum Beispiel wenn die Wahl des ersten slawischen Papstes der Geschichte verkündet wird oder dessen Tod.
Mir kam die Arbeit im Pressesaal immer ein bisschen so vor, wie wohl einst die Arbeit der Goldsucher am Klondike River in Kanada gewesen sein muss. Halbe Ewigkeiten lang durchsiebst du unendlich langweiligen Sand, und dann, auf einmal, hast du ein riesiges Goldnugget in der Hand, das dein ganzes Leben verändern kann. Zunächst ist aber der Sand dran, Unmengen von Sand, deswegen auch schicken die Redaktionen in den Pressesaal des Vatikans vor allem zuverlässige, erfahrene Mitarbeiter. Echten Glanz gibt es im Pressesaal nur dann, wenn der Papst etwa gerade zu einer Reise nach Südamerika aufbricht. Dann stöckeln plötzlich lateinamerikanische Fernsehmoderatorinnen im ultrasexy Outfit durch den Pressesaal und lassen sich dabei filmen, wie sie sich angeblich auf die Reise des Papstes in ihr Heimatland vorbereiten.
Der Pressesaal befindet sich in einem Gebäude auf der rechten Seite der Via della Conciliazione, außerhalb des Vatikans, dort, wo die Straße sich zum Halbrund der Piazza Pio XII hin öffnet. Zwei Polizisten stehen neben der überdimensionierten Stahltür, innen befindet sich auf der linken Seite ein Empfangstresen, an dem korrekt gekleidete junge Herren sitzen. Wer zum ersten Mal mit ihnen zu tun hat, mag den Eindruck gewinnen, dass es sich um besonders fromme Männer handelt. In Wirklichkeit sind es ganz normale, nette junge Herren, und wenn man zum ersten Mal ihren eigentlichen, abgeschirmten Arbeitsplatz betritt, wo sie an Fotokopierern tonnenweise päpstliche Erklärungen reproduzieren müssen, sieht man, dass nicht nur Porträts von Päpsten, sondern auch – wie in vielen anderen Büros der Welt – Fotos von schnellen Autos an den Wänden hängen (allerdings keine Pirelli-Kalender!).
Über eine kleine Marmortreppe gelangt man in den
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