Franziskus - Zeichen der Hoffnung: Das Erbe Benedikts XVI. und die Schicksalswahl des neuen Papstes (German Edition)
genau so gegangen, wie er sich gesehen hatte, als ein Theologe, als völliges Nichts, gemessen an der Botschaft, die er zu verkünden hatte. Ein einfacher Mann, der in Castel Gandolfo auf seine Weise zeigte, dass er endlich angekommen war, dass er jetzt »einfach ein Pilger« sei, »der nun die letzte Etappe seines Weges auf dieser Erde antritt«. Das Pontifikat des Joseph Ratzinger ließ sich von seinem Ende her weit besser verstehen als durch seinen Anfang. Da war Papst Benedikt XVI . tatsächlich der Mann, der er wirklich sein wollte, nicht einmal so wichtig wie ein einzelnes Komma in der Botschaft seines Herrn Jesus Christus.
Castel Gandolfo
Der abgeschiedene Sommersitz der Päpste erfüllt für das Oberhaupt der katholischen Kirche unter anderem den simplen Zweck, der nun auch einem zurückgetretenen Papst zugutekommt: ihm die Kardinäle vom Hals zu halten. Während unten in Rom die letzten noch fehlenden wahlberechtigten Kardinäle eintreffen – nachdem der Dekan der Kardinäle, Angelo Sodano, sie dazu aufgefordert hatte –, beginnt der »Papst emeritus« Joseph Ratzinger seinen ersten Tag in Rente in Castel Gandolfo. Schon während seiner Regierungszeit hatte Ratzinger die Möglichkeit, nach Castel Gandolfo ausweichen zu können, sehr zu schätzen gewusst. Wenn der Papst einmal dort oben, hoch über dem Albaner See, angekommen war, gab es eine äußerst simple Begründung, um selbst hartnäckige Bittsteller, die unbedingt den Papst sehen wollten, abzuwimmeln. Die Antwort auf noch so dringende Gesuche bestand dann schlicht aus dem Satz: Der Papst ist in Castel Gandolfo, da ist eben nichts zu machen.
Ein besonders komfortables Leben bot der Apostolische Palast in Castel Gandolfo nicht. Papst Paul VI . hatte Castel Gandolfo nicht modernisieren lassen, und als Papst Johannes Paul II . dort zum ersten Mal eintraf, war die Hitze des Sommers schier unerträglich, weil es keine Klimaanlage in dem Palast gab. Eine Waschmaschine übrigens auch nicht, die Schwestern wuschen mit der Hand.
Ursprünglich bestand die Anlage nur aus einem großen Verteidigungsturm. Zwischen dem 13. und dem 16. Jahrhundert wurde der Verteidigungskomplex zu einem Palast ausgebaut. Am 30. Juni 1596 schickte Papst Clemens VIII . seine Soldaten in das Schloss von Castel Gandolfo und ließ es beschlagnahmen, weil die Familie Savelli, die rechtmäßigen Besitzer, ihre Schulden nicht bezahlen konnte. Seitdem war das Dorf Castel Gandolfo eingequetscht zwischen den großen päpstlichen Besitzungen. Außer dem Palast mit den großen Wohngebäuden und der Sternwarte liegen noch Villen und eine weitere Sternwarte auf dem Gelände der Parkanlagen. Besonders schön sind der Palazzo Cybo und vor allem die Villa Barberini, auf deren Territorium sich die Reste des gigantischen Palastes des römischen Kaisers Domitian befinden. Insgesamt ist das Gelände der päpstlichen Villen in Castel Gandolfo erheblich größer als der Vatikan: In Castel Gandolfo können sich die Päpste auf einem Areal von 55 Hektar entspannen, der Vatikan umfasst nur 44 Hektar.
Wer durch den Päpstlichen Palast in Castel Gandolfo spaziert, findet immer wieder auf Bildern Darstellungen eines der größten Fans dieses wundervollen Komplexes: von Papst Clemens XIV . (Pontifikat 1769–1774). Für seine Zeit war Clemens eine Art Formel-1-Papst, denn er liebte wilde Galoppaden mit seinem Schimmel durch die Wälder rund um die Parks. Der Papst hängte dabei mit Vorliebe seine Leibwächter ab und fegte oft allein mit seinem Pferd durch die Wälder, ein Vergnügen, dem er unten in Rom unmöglich hätte nachkommen können. Doch sollte es Schutzengel geben, ritt der Papst schneller, als die fliegen konnten, denn er stürzte 1770 zweimal schwer mit dem Pferd und musste dann auf die schnellen Ausritte verzichten.
In Castel Gandolfo zu recherchieren gehörte zu den Lieblingsbeschäftigungen in meinem bisherigen Leben. Das hat eine ganze Reihe von Gründen. Erstens durfte ich zum Arbeiten meinen Hund Nuvola (»Wolke«) mitnehmen. In den weitläufigen Parks störte sich niemand daran, dass ich dort meine alte Mischlingshündin frei herumlaufen ließ. Zudem herrscht in Castel Gandolfo meist eine sehr entspannte Atmosphäre, wie an einem Urlaubsort eben. Solange der Papst unten im Vatikan ist, schert sich niemand um das Anwesen und seine 21 Angestellten, die auf dem Gelände der päpstlichen Villen wohnen dürfen und dort ein geradezu paradiesisches – wenn auch mit etwa 1200 Euro netto karg
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