Franziskus - Zeichen der Hoffnung: Das Erbe Benedikts XVI. und die Schicksalswahl des neuen Papstes (German Edition)
entlohntes – Leben rund um die Parks Seiner Heiligkeit führen dürfen. Der Verwaltungschef der päpstlichen Villen von Castel Gandolfo, Saverio Petrillo, ist meist froh über ein bisschen Abwechslung, auch weil er fantastisch zu erzählen weiß aus den knapp 50 Jahren in Diensten von Castel Gandolfo.
Papst Johannes Paul II . gefiel die extreme Schlichtheit der Residenz. Innerhalb der Villa ließ er so gut wie nichts umbauen, für den Park ließ er sich von Exilpolen, die aus den USA zu Besuch gekommen waren, lediglich ein Hallenbad schenken. Eine Klimaanlage wollte er nicht einbauen lassen. Komfort für sich selber lehnte er meist ab. Noch in den letzten Jahren seines Lebens ließ er sich im Rollstuhl in den kühlsten Raum des Schlosses fahren, der direkt über dem See von Albano liegt: die Küche.
Der Aufenthalt in Castel Gandolfo ohne den täglichen Audienzstress verschaffte den Päpsten auch die Möglichkeit, endlich einmal zu schreiben. Johannes Paul II . verfasste in Castel Gandolfo sein Buch Auf, lasst uns gehen . Er ließ sich dazu ein kleines Tischchen vor die päpstliche Villa in den Garten stellen. Er bestand übrigens darauf, dass die Kinder der Angestellten trotz seiner Anwesenheit weiter im Garten spielen durften, und sah ihnen manchmal lange zu. Eigenartigerweise nahm niemand im Vatikan Johannes Paul II . übel, dass er Bücher in Castel Gandolfo schrieb; sein Nachfolger musste sich deswegen jedoch heftige Kritik anhören. Ein Papst soll in Castel Gandolfo keine Bücher über Jesus von Nazareth schreiben, sondern die Kirche regieren, hieß es. Dass die Kurie nicht wagte, Karol Wojtyłas Buchprojekte zu kritisieren, seinen Nachfolger für das Gleiche aber verurteilte, zeigt, wie wenig Macht Joseph Ratzinger – ganz im Gegenteil zu Karol Wojtyła – über die Kurie ausübte.
In diesem Komplex erwachte der erste emeritierte Papst seit dem Rücktritt Papst Coelestins V. im Jahr 1294 am Morgen des 1. März 2013. Aber Ausschlafen war nicht einmal am ersten Tag seines Rentnerdaseins nach einem anstrengenden achtjährigen Pontifikat drin. Den Tagesablauf beschloss der Pontifex nicht zu ändern. Er las wie schon im Vatikan um sieben Uhr morgens die heilige Messe, an der seine vier Haushälterinnen, die Memores Domini, die er aus dem Vatikan mitgenommen hatte, sowie sein Privatsekretär Bischof Georg Gänswein teilnahmen. Nach dem Mittag- und dem Abendessen nahm Joseph Ratzinger eine Tradition auf, die in Castel Gandolfo einst auch ein Mann gepflegt hatte, der wie Papst Benedikt XVI . ein Monarch gewesen war. Ratzinger liebt es, nach den Mahlzeiten spazieren zu gehen. Aufgrund der stattlichen Ausmaße des Päpstlichen Palastes kann er hier durch die weitläufigen Zimmerfluchten von seinem Arbeitszimmer bis zum großen Empfangssaal, dem Saal der Schweizer, wandeln.
Das Gleiche tat am gleichen Ort vor knapp 2000 Jahren Kaiser Domitian (51–96 n. Chr.). Wer je die Gelegenheit hat, durch den Garten der Päpste zu spazieren, sollte es auf keinen Fall verpassen, die Wandelhalle Kaiser Domitians zu besichtigen. Der Kaiser hatte einst diese eine halbe römische Meile lange riesige Halle bauen lassen. Eine römische Meile – die Bezeichnung geht auf mille passus (»tausend Schritte«) zurück – ist ganze 1,481 Kilometer lang. Nach dem Essen spazierte Domitian, geschützt vor Wind und Wetter und Mordanschlägen, in der Halle einmal auf und einmal ab, vorbei an den Beutestücken seiner Kriege in Germanien und Asien, und legte so täglich eine römische Meile zurück.
Während dieser Spaziergänge kommt der Papst i. R. im Apostolischen Palast auch an der Stelle vorbei, die die Angestellten in Castel Gandolfo seit Jahrzehnten in besonderen Ehren halten. Es ist ein Fenster, das exakt nach Osten ausgerichtet ist. Den Putzkolonnen war aufgefallen, dass dieses Fenster auf unerklärliche Weise, wie durch Geisterhand, morgens beschlagen und von Streifen gezeichnet war – und zwar immer dann, wenn Papst Johannes Paul II . hier eingetroffen war. Lange konnte sich niemand erklären, woher diese Spuren kamen. »Der Papst hat das Rätsel dann einmal selber gelüftet und mir gestanden, dass er es liebte, im Sommer früh aufzustehen und sein Gesicht an die Scheibe zu pressen, um zuzuschauen, wie die Sonne aufging«, sagte mir Saverio Petrillo.
Dort in dieser Abgeschiedenheit lebte jetzt der Papst a. D. Bei seiner Ankunft hatte er in einer Ansprache an die Bevölkerung von Castel Gandolfo gesagt, dass er es genieße, wieder
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