Franziskus - Zeichen der Hoffnung: Das Erbe Benedikts XVI. und die Schicksalswahl des neuen Papstes (German Edition)
in der Natur zu sein. Joseph Ratzinger hatte den Park und auch den kleinen Bauernhof in Castel Gandolfo immer geschätzt. Trotz seiner Liebe zu dem Park hatte er das alte Privileg der Brautleute von Castel Gandolfo bestehen lassen. Wer aus dem Ort stammt und dort kirchlich heiratet, darf Erinnerungsfotos im Park der Päpste machen. Wenn die Brautleute sehr viel Glück haben, spaziert sogar der Papst vorbei und gratuliert ihnen, wenn er zufällig im Park unterwegs ist.
Mit seinem Vorgänger verband Joseph Ratzinger, dass sie beide in Castel Gandolfo denselben Lieblingsplatz bewunderten: einen flachen Goldfischteich vor einer Statue der Muttergottes. Johannes Paul II . hatte sich hier eine Gebetsbank hinstellen lassen, die Saverio Petrillo auch nach dem Tod Karol Wojtyłas ihm zu Ehren dort stehen ließ. An diesem Fischteich betete jetzt auch der emeritierte Papst Benedikt XVI . und hatte endlich Zeit, zu tun, was Rentner nun mal so tun. Die Angestellten aus Castel Gandolfo stellten ihm immer ein kleines Körbchen mit Brotkrumen an den Teich, weil Joseph Ratzinger es liebte, die Fischlein in aller Ruhe mit ein paar Krumen zu füttern, wenn er zum Gebet hierherkam. Menschen fischen musste er ja nicht mehr, der 264. Nachfolger des Fischers Petrus.
Im Vorfeld des Konklaves
Die Kardinalsversammlung, die erstmals am 4. März 2013 in Rom zusammentrat, stand bereits im Zeichen einer Vorentscheidung für die Wahl des neuen Papstes, die schon einige Zeit zurücklag. Bereits im Jahr 2005 hatten die Kardinäle Angelo Sodano zum Nachfolger von Joseph Ratzinger als Chef der Kardinäle, als Kardinaldekan, gewählt. Benedikt XVI . hatte die Wahl am 30. April 2005 bestätigt. Der Mann aus Asti in Norditalien sollte die Kardinalsversammlung spalten in eine fortschrittliche Gruppe, die sich eindeutig gegen Angelo Sodano stellte, und in eine ultrakonservative Gruppe, die ihn unterstützte. Dazu kam es, nachdem Sodano am Osterfest 2010 durch ein Statement seine Reputation bei der Mehrheit des Kardinalskollegiums verspielt hatte. Während des Ostergottesdienstes hatte Sodano dem Papst zunächst versichert, dass die 400000 Priester auf der Welt hinter ihm stünden. Dann platzte die Bombe, als er die Anklagen der Opfer der Missbrauchsskandale als »chiacchiericcio« bezeichnete, was so viel wie »dummes Geschwätz« bedeutet. Viele Kardinäle konnten ihr Entsetzen kaum verbergen, die Worte Sodanos erschienen ihnen als ein vollkommen falsches Signal. Vor allem die US -amerikanischen, aber auch die deutschen Kardinäle protestierten hinter den Mauern des Vatikans heftig.
Es gelang Sodano, eine gewisse Zeit lang jede offene Kritik an seiner Person trotz dieser Maßlosigkeit zu unterbinden. Doch das war nicht von Dauer. Der Protest der Kardinäle gegen Sodano war so groß, dass Monate später, am 28. Juni 2010, der Vatikan eine Erklärung abgeben musste, dass sich die Bezeichnung »dummes Geschwätz« keineswegs auf die Anklagen im Missbrauchsskandal beziehen würde.
Dass der große Kardinaldekan und langjährige Kardinalstaatssekretär nicht hatte verhindern können, dass eine solche Erklärung abgegeben werden musste, sogar noch Monate später, zeigte, dass keineswegs rasch Gras über die Sache gewachsen war und es hinter den Mauern des Vatikans hoch hergegangen sein musste. Seit diesem Fehler galt Sodano bei allen Kardinälen, nach deren Meinung die Kirche mutig und entschlossen gegen die weltweiten Missbrauchsskandale vorgehen sollte, als hoffnungslos kompromittiert. Lediglich die ultrakonservativen Kardinäle sahen in Sodano so etwas wie einen Fürsprecher, der sich von weltlichen Bedrohungen nicht einschüchtern ließ, sondern klarstellte, wie selbstbewusst die katholische Kirche trotz aller Angriffe auf sie war. Den Kardinälen und Bischöfen, laut deren Standpunkt die Kirche sich einigeln und verteidigen sollte, hatte Sodano aus der Seele gesprochen.
Hinzu kommt, dass das Kardinalskollegium keine Versammlung gleichberechtigter älterer Herren ist, sondern vielmehr durch eine klare Hierarchie bestimmt wird. Grundsätzlich lassen sich im Kollegium drei Kardinalklassen unterscheiden, die Orden heißen. Im Grunde geht es darum, eine Rangfolge unter den Kardinälen einzurichten. Das wichtigste Recht, nämlich den Papst zu wählen, haben alle drei Orden. Die ranghöchsten und angesehensten Kardinäle sind die Kardinalbischöfe. An deren Spitze stand im Jahr 2013 Giovanni Battista Kardinal Re, der das Konklave leitete. Auf die
Weitere Kostenlose Bücher