Französische Nächte: Erotischer Roman (German Edition)
bekamen tatsächlich nie die Gelegenheit, in der Wohnung alleine zu sein. Da waren die ständigen geschäftigen Vorbereitungen. Ein einziges Mal waren sie kurz unter sich, und das auch nur, weil sie sich auf der Straße begegnet waren. Sie hatte einen Tisch für die neue Wohnung gekauft und wollte ihn dort in Empfang nehmen, und er hatte sich mit einigen Leuten vom Film getroffen.
»Lass uns irgendwo was trinken gehen«, schlug er vor. »Wir haben uns seit meiner Ankunft kaum gesehen. Ich möchte mit dir reden.«
Sie gingen ins Le Dome und tranken Bier. Dann sprachen sie über die Missverständnisse, und er versprach, nie wieder so dumm zu sein. Das war entwaffnend.
»Hast du wegen Rio schon eine Entscheidung getroffen?«, fragte er, als der Kellner das zweite Bier brachte.
Sie konnte ihn nicht anlügen. »Ich werde nicht mitfahren«, sagte sie.
Das Lächeln, das sich auf seinem Gesicht ausbreitete, war die Sache wert. Er strahlte! Sie stützte den Ellenbogen auf den Tisch und lächelte zurück.
»Komm her«, meinte er und küsste sie leicht auf die Lippen.
Zusammen gingen sie durch die vollen, geschäftigen Straßen zurück zur Wohnung. »Die ganze Welt ist hier«, stellte er fest. »Das ist der Ort, an dem man sein muss. Ich weiß es. Wenn Menschen wie wir mit dem, was wir tun, Erfolg haben wollen, dann ist das die richtige Zeit und der richtige Ort dafür.«
»Ich kann das Aufnahmeexamen noch einmal machen, wenn ich es möchte«, sagte sie.
»Tu es«, erwiderte er. »Du hast nichts zu verlieren.«
An diesem Abend gingen sie alle in einen Klub. Kim war mutig und es außerdem leid, in der Wohnung eingesperrt zu sein, während draußen in der Stadt das Leben tobte. Also wagten sie es. Sie fiel nicht weiter auf. In Paris kamen Menschen aus aller Welt zusammen und genossen den Trubel.
Paul schien Oruela noch mehr zu begehren als je zuvor. Seine rauchigen grünen Augen beobachteten jede ihrer Bewegungen, während sie sich mit Kim unterhielt. Oruela bemerkte es, und als sich ihre Blicke trafen, sah er sie auf eine Art an, bei der ihr ganz schwummrig wurde.
Doch am folgenden Tag änderte sich alles. Ernesto entdeckte den Artikel morgens in der Zeitung. In einer amerikanischen Uhrenfabrik war eine Gruppe von Arbeiterinnen vergiftet worden, und man hatte herausgefunden, dass der Grund dafür die auf Radium basierende Farbe war, mit der die leuchtenden Zifferblätter der Uhren bemalt wurden. Es gab schreckliche Prognosen von entstellten Kindern und einem schleichenden Tod. Diese Nachricht war einerseits die Antwort darauf, woran Norbert Bruyere gestorben war, ließ sie alle aber auch vor Furcht erstarren.
Ernesto rief sofort seinen Arzt an, der Oruela noch am gleichen Morgen im Institut untersuchen wollte. Paul und Euska begleiteten sie und warteten auf dem Gang, während die Tests gemacht wurden. Die Ergebnisse würden in drei Tagen eintreffen. Euska und Ernesto verwarfen ihre Pläne, vor der Abreise noch einen oder zwei Tage in London zu verbringen, und alle fragten sich, ob Euska überhaupt abreisen würde.
Sie packte weiter. Jeder versuchte, sich so normal wie möglich zu verhalten, aber es fiel allen schwer, da sie große Angst hatten.
Drei Tage später gingen sie wieder ins Institut. Diesmal gingen sie alle mit. Keiner wollte zu Hause bleiben. Alles schien in Ordnung zu sein, sagte der Arzt. Die ersten Tests waren komplett negativ gewesen. Sie würden Oruela in den kommenden Monaten beobachten, aber sie schien keine Schäden davongetragen zu haben, vermutlich weil sie nur geringen Dosen ausgesetzt gewesen war.
Es war der letzte Tag, bevor Euska und Ernesto abfuhren, und der Nachmittag gehörte Euska und Oruela. Sie wussten beide, dass es richtig war, sich vorerst voneinander zu verabschieden. Sie würden viel Zeit zum Nachdenken haben, bevor sie einander wiedersahen. Sie waren sich einig und verbrachten einen wunderschönen Nachmittag miteinander.
An diesem Nachmittag erlebte Kim ihre eigene kleine Revolution, als sie loszog und sich einen Job als Revuetänzerin im Le Sphinx sicherte. Überdies begegnete sie auch noch einem farbigen amerikanischen Trompetenspieler, einem Riesen, wie sie behauptete. Sie war davon überzeugt, dass er der Mann ihrer Träume war. Da sie noch am gleichen Abend anfangen konnte, ging sie früh los zum Klub.
Die anderen vier beschlossen, dort Euskas und Ernestos Abschied zu feiern.
»Und meine Rückkehr«, sagte Oruela. »Ich habe das Gefühl, von den Toten auferstanden zu
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