Französische Nächte: Erotischer Roman (German Edition)
auf Distanz bleiben, wenn er hier wohnt?«, fragte sie ihre Mutter verzweifelt.
»Hier laufen viel zu viele Menschen herum, als dass ihr alleine wärt«, erwiderte diese lächelnd. »Und stell dir vor, wie es für ihn sein muss, dir so nahe zu sein und dich doch nicht berühren zu dürfen. Du kannst ihm doch jetzt nicht ganz die kalte Schulter zeigen, oder? Das ist für deine Zwecke eigentlich ideal.«
Also nahm Oruela später an diesem Nachmittag den Hörer ab und rief Paul an.
»Hallo«, knurrte er.
»Hier ist Oruela«, sagte sie.
»Oruela«, rief er, und seine Stimme bekam auf einmal Farbe. »O Gott sei Dank. Ich dachte schon, du hättest Paris verlassen.«
»Tja«, meinte sie frech, »Euska hat mich gebeten, mit nach Rio zu kommen.«
»Und was hast du beschlossen?«, fragte er.
»Nun ja, es gibt da einiges zu bedenken …«, antwortete sie und versuchte, ihn nicht direkt anzulügen.
»Ich bin mir sicher, dass du die richtige Entscheidung treffen wirst«, sagte er.
Himmel, wie konnte er da so ruhig bleiben?, dachte sie. Aber er sprach schon weiter. »Wann reist sie ab? Bis wann musst du dich entschieden haben?«
»Sie fährt in zwei Wochen«, berichtete Oruela.
»Bis dahin bin ich in Paris«, meinte er. »Wir kommen nächste Woche an …«
Kurze Zeit schwiegen sie beide. Sie wollte, dass er sie anflehte, in Paris zu bleiben, aber gleichzeitig wusste sie, dass ein Mann wie er das niemals tun würde.
»Euska möchte euch beiden anbieten, hier zu wohnen«, erklärte sie.
»Oh, das ist wirklich nett von ihr. Richte ihr bitte meinen Dank aus.«
Erneute Stille.
»Tja«, meinte er dann. »Dann sehen wir uns nächste Woche.«
»Ja«, erwiderte sie.
»Kim möchte dich sprechen«, fuhr er fort. »Bis dann.«
Kim kam an den Apparat und bat sie, Euska auszurichten, dass sie ihr ewig dankbar wäre. Dann sprach sie leiser.
»Und ich will alles hören, was du getrieben hast. Jede Einzelheit«, sagte sie. »Wenn es liebeskranke Männer gibt, die du zurückgelassen hast, dann sag ihnen, dass ich sie trösten werde …«
Oruela legte den Hörer auf und starrte mit leerem Blick vor sich hin. Einen Augenblick später kam Euska mit einem Berg an Kleidungsstücken für die Wohlfahrt ins Zimmer.
»Was ist los?«, erkundigte sie sich und legte die Kleidung auf einen Stuhl.
»Ich fühl mich schlecht«, gestand Oruela. »Ich habe ihm erzählt, dass du mich gebeten hast, mit nach Rio zu kommen, und ihn glauben lassen, ich hätte mich noch nicht entschieden. Ich habe ihn praktisch angelogen. Ich will nicht mit einer Lüge neu anfangen.«
Euska setzte sich neben Oruela auf die Couch. »Wenn du dich dann besser fühlst«, meinte sie, »ich finde nicht, dass du etwas Falsches getan hast. Wir sind alle in einer seltsamen Lage, weil wir jetzt mitspielen müssen, aber es ist nur ein kleiner Fehler. Ernesto muss es nicht wissen. Es reicht, wenn wir beide Bescheid wissen, und ich lasse dich nicht auffliegen.«
»Ich habe mich für so clever gehalten«, meinte Oruela, »aber ich war nur dumm.«
»Nein, das warst du nicht. Du hast deine Macht gespürt und einen kleinen Fehler gemacht.«
»Offenbar kann ich mit Macht nicht gut umgehen«, stellte Oruela fest. »Ich bin nicht gut in so was.«
»Was hast du für eine Alternative?«, wollte Euska wissen. »Du hast ihm die Sache überlassen, als wir hierhergekommen sind, und es hätte beinahe nicht funktioniert, weil er dir erst geschrieben hat, als es fast schon zu spät war. Möchtest du so leben?«
»Nein. Aber ich möchte auch keine Ehe, bei der es um Macht geht«, entgegnete Oruela.
»Ma cherie«, sagte Euska. »Wenn du eine Ehe anstrebst, dann solltest du darauf achten, die Macht nicht aus der Hand zu geben. Nur eine mächtige Frau weiß, wie schön es ist, sie zur richtigen Zeit und am richtigen Ort aufzugeben. Frauen, die ihren Männern die Kontrolle überlassen, sind Dummköpfe. Männer haben in Bezug auf die Liebe keine Ahnung.«
»Aber wie kannst du einen Mann respektieren, über den du eine solche Macht hast?«, wollte Oruela wissen.
»Du liebst ihn doch bereits. Respektierst und bewunderst du ihn? Das alles wirst du nur verlieren, wenn du den Respekt vor dir selber verlierst. Außerdem bezweifle ich, dass er sich dir so einfach unterordnen wird. Du wirst ihn nicht so bald leid sein.«
Oruela war völlig verwirrt. Ohne große Begeisterung setzte sie die Wohnungssuche fort. Erst am frühen Abend, als sie sich die dritte Wohnung ansah, verschwand ihre Verwirrung.
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