Französische Nächte: Erotischer Roman (German Edition)
einem sehr begrenzten und wohlhabenden Kreis von Sammlern bekannt war.
Wenn er gekonnt hätte, dann hätte Jean das ganze Zimmer so modern eingerichtet, doch seine Mutter weigerte sich, ihn alles in diesem verrückten modernen Stil dekorieren zu lassen. Die Vorhänge an den Seiten des Bettes bewachten ihren Sohn im Schlaf wie schwere Wächter aus Brokat vor der entfesselten Modernität. Das Bett quoll über von weißer Seide und Rüschen, sodass sich Jean oft wie ein Mädchen fühlte, wenn er zu Hause war. Madame Raffoler hatte sich jedoch auch um etwas mehr Maskulinität bemüht und Gemälde mit berühmten Schlachten von seit Langem toten und technisch versierten Malern aufgehängt, jedoch nicht auf die rücksichtslose Vergoldung verzichtet, die jeden Lampenfuß und jedes Tischbein zierte.
Jean ertrug all das, weil sie seine Mutter war und er es ihr gerne recht machte.
Sein seidener rubinfarbener Morgenmantel hing locker über einem langen Bein, während das andere nackt war. Über seiner ansehnlichen Brust war er ebenfalls nicht geschlossen. Eigentlich lohnte es sich für ihn gar nicht, den Morgenmantel überhaupt anzuziehen, aber er bemühte sich wegen seiner Mutter, etwas schicklicher gekleidet zu sein.
Er lehnte sich in der Ohrmuschel zurück und öffnete seine Post. Da sich darunter nichts Interessantes befand, seufzte er. Er war geil. Langsam wurde die Wölbung unter der rubinroten Seide immer größer, bis sein Penis schließlich ins Freie lugte. In diesem Moment ging die Tür auf und seine Schwester Hélène kam herein.
Anders als ihr Bruder waren ihr die Konventionen völlig gleichgültig. Was brachten sie ihr auch schon? Sie war in einem Alter, in dem sie gegen absolut alles rebellierte, süße siebzehn und gefährlich. Was interessierte es sie, dass die Männer im Haus den Verstand verloren, nur weil sie mit nichts als einem Hauch Parfüm am Leib herumspazierte? An diesem Morgen trug sie etwas, aber nur weil es gerade aus ihrem Lieblingsgeschäft in Paris eingetroffen war. Es bestand aus schwarzem, feinem Netzstoff mit einem Fellkragen, der ihre Ohren bedeckte und ihr Kinn teilweise verbarg. Der untere Saum auf Kniehöhe war ebenfalls mit Fell besetzt, aber dazwischen konnte man durch einen reizvollen Schleier alles erkennen, als wäre es wie ein kostbares Juwel im Tresen eines Juweliers ausgestellt. Ihr Haar war kupferfarben und sah nicht natürlich aus, wirkte in seiner Geschmacklosigkeit jedoch schon wieder verlockend.
»Sehr praktisch«, kommentierte Jean und starrte sie an. Er beugte sich vor und berührte einen ihrer kostbaren Edelsteine.
Sie streckte ihm die Zunge heraus. »Maman ist wütend auf dich.«
»Warum?«
»Ein Dienstmädchen war vorhin an der Hintertür und hat nach dir gefragt, und Maman ist der Ansicht, dass du dich auf deine Klasse beschränken solltest.« Sie zog eine Schnute.
»Das tue ich auch. Immer!«, erwiderte Jean und bedeckte sich. »Ich habe es nicht mit einem Dienstmädchen getrieben. Worum ging es denn dabei?«
»Das weiß ich nicht, aber du könntest es herausfinden, wenn du willst. Sie steht seitdem auf der Straße. Sieh nur«, erwiderte Hélène.
Sie gingen zusammen zum Fenster und sahen über die Mauer auf die Straße vor der Villa herunter. Michelle stand unter einem Baum mit frischen grünen Blättern und wirkte verloren.
Jean zog sich vom Fenster zurück und betätigte die Glocke, die an der Wand neben dem Kamin hing.
»Sie ist hübsch«, stellte Hélène fest. »Reich sie an mich weiter, wenn du fertig bist.«
Jean schüttelte den Kopf. »Mir ist bis heute nicht klar, ob du wirklich lesbisch bist oder ob das nur eine Modeerscheinung ist. Das scheint heutzutage offenbar gang und gäbe zu sein.«
»Was interessiert es dich, wie es wirklich ist?«, fragte Hélène.
»Ich bin mir einfach nicht sicher, ob ich mich irgendwann mal für meine Schwester schämen muss.«
Hélène lachte. »Du bist wirklich unglaublich«, sagte sie und ging aus dem Zimmer, ohne sich noch einmal zu ihm umzudrehen.
Als der Diener durch das Tor des gewaltigen Herrenhauses kam, um sie abzuholen, dachte Michelle an Robert und wie er sie am Abend zuvor behandelt hatte, als er sie zum Bahnhof in Bayonne begleitet hatte, damit sie den Zweiuhrzug erreichen konnte. Sie hatten beide irgendwie gespürt, dass etwas zu Ende ging. Sie konnte nie wieder in dieses Haus zurückkehren. Geneviève Bruyere hatte unter den anderen Dienstboten einige Verbündete und würde bei Tagesanbruch
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