Französische Nächte: Erotischer Roman (German Edition)
Michelle den Kaffee ausgetrunken hatte, der für sie gekommen war, stand er schon wieder vor ihr.
Sie erhob sich.
»Nein, nein. Bitte entspann dich«, sagte er und war verschwunden.
Michelle beschloss, ihm eine Nachricht zu hinterlassen, dass sie im Kurzwarengeschäft ihrer Tante zu finden sei, falls sie noch benötigt wurde. Sie ging davon aus, dass ihre Tante sie aufnehmen würde. Die Wohnung unter dem Dach würde in nächster Zeit schließlich nicht von Jean und Oruela benötigt.
Als sie die Nachricht gerade auf den Kaminsims legte, betrat Hélène das Zimmer. Michelle starrte das außergewöhnliche Kleidungsstück der jungen Frau mit offenem Mund an.
»Ist mein Bruder gegangen und hat Sie einfach zurückgelassen? Oh, wie konnte er nur?«, säuselte Hélène.
Michelle, die nicht die leiseste Ahnung hatte, dass sich zwei Frauen körperlich miteinander vergnügen konnten, ging weder auf diesen noch auf einen anderen Köder ein, sondern verließ das Haus wenig später mit dem Eindruck, dass die Raffolers ebenso wie viele andere reiche Leute ein wenig verrückt waren.
Jeans offener DeSoto kam mit quietschenden Reifen vor dem gewaltigen Gefängnistor zum Stillstand, durch dessen Guckloch man hinaus-, aber nicht hineinsehen konnte. Er parkte ein Stück weiter die Straße hinauf. Die Mauer rings um das Gelände musste wenigstens sechs Meter hoch sein und war oben mit Stacheldraht gesichert. Er lief zur Tür und hämmerte mit den Fäusten dagegen.
Von drinnen ertönte ein lauter Ruf. »He! Lassen Sie das!«
Auf einmal wurde Jean klar, dass er so nicht weiterkam. Er überlegte und rief dann: »Hier ist Dr. Marchand! Es geht um einen Notfall!«
»Schon gut, schon gut«, lautete die Antwort.
Bolzen wurden zurückgeschoben, und eine kleine Tür innerhalb des großen Tors öffnete sich. Der Wachmann dahinter war ein kleiner, stark übergewichtiger Mann. Er verbeugte sich leicht vor Jean, der sich zu voller Größe aufrichtete, um mehr Autorität auszustrahlen.
»Gehen Sie einfach geradeaus, dann kommen Sie zum Empfang«, knurrte der Wachmann.
Jean schickte ein Dankgebet zum Himmel für die Dämlichkeit von Gefängniswärtern und überlegte, wie er weiter vorgehen sollte. Ein oder zwei Insassen hockten wie benommen auf Bänken. Eine junge Krankenschwester ging durch den Garten …
Die arme Frau hatte gerade ein Buch gelesen, in dem ein zu Besuch weilender Psychiater auf eine Krankenschwester trifft, was später dazu führt, dass beide heiraten. Mit funkelnden Augen blickte sie Jean an, der sich ihr in den Weg gestellt hatte. Peinlich berührt röteten sich ihre Wangen. »Monsieur!«, murmelte sie. »Kann ich Ihnen helfen? Sie sehen aus, als hätten Sie sich verlaufen.«
»So ist es auch«, erwiderte Jean mit verführerischer Stimme. »Ich suche eine meiner neuen Patientinnen. Ihr Name lautet Bruyere. Sie müsste bei Ihrem Dr. … äh …« Er griff in seine Tasche.
»Dr. von Streibnitz«, half ihm die Frau aus, »wenn sie neu hier ist.«
»Natürlich«, sagte Jean und holte einen alten Zettel aus der Tasche. Er tippte ihn an und lächelte.
»Soll ich Sie hinbringen?«, bot sie an.
»Nein, nein«, wehrte Jean ab. »Sagen Sie mir einfach, wie ich da hinkomme.«
Ihren Anweisungen folgend, gelangte er in den Zellenblock und stieg an einem Ende eine Wendeltreppe hinauf. Der Frühlingssonnenschein strahlte durch ein hohes Fenster, vor dem zwei Gestalten saßen und Karten spielten. Einen Augenblick lang stand er auf dem Treppenabsatz und wusste nicht weiter.
»Entschuldigen Sie, Monsieur, kann ich Ihnen helfen?« Eine kleine Wächterin mit Rattengesicht kam aus dem Nichts und trat zu ihm.
Jean lächelte sie an. Irgendetwas sagte ihm allerdings, dass er bei ihr nicht weiterkommen würde, und er spürte, wie ihm das Blut in den Adern gefror. »Ich suche Dr. von Streibnitz«, sagte er.
»Wer sind Sie?«, wollte die Frau wissen.
»Dr. Marchand«, erklärte Jean. »Ein Kollege.«
»Und warum sind Sie hier?«
»Ich soll mir eine der Insassen ansehen.« Jean versuchte, ob der Frage beleidigt zu wirken.
»Wo ist Ihre Berechtigungskarte?«
Jean grinste wie ein kleiner Junge. »Mademoiselle, ich muss ehrlich zu Ihnen sein«, meinte er. »Beim letzten Mal hatte ich sie noch, aber ich konnte sie heute nicht finden, und man hat mich am Tor dennoch hereingelassen, weil man mich erkannt hat.«
»Das muss ich erst einmal überprüfen«, erwiderte sie.
Sie ging zu einem Telefon, das direkt hinter Jeans Schulter an der
Weitere Kostenlose Bücher