Französische Nächte: Erotischer Roman (German Edition)
befürchten, ich würde mich allerdings verrennen.« Sie hatte Jean nicht erzählt, dass sie eine Waise war und einen Vormund hatte, auch wenn sie selbst nicht wusste, warum.
»Es ist doch alles in Ordnung!«, rief er aus. »Oh, Oruela, was hat das zu bedeuten? Warum erzählst du mir das? Das ist doch eine Ausrede, um nicht zu heiraten. Sag nicht …«
»Vielleicht ist es ja auch ein guter Grund, um zu heiraten!«, erwiderte sie.
»Ja. Ja. Ja!«, rief Jean und sprang auf, als hätte er gerade einen Sieg errungen. »Oh, mein Liebling. Komm her.« Er kam zurück zu ihr, und bevor sie vom ersten Sex überhaupt abgekühlt waren, taten sie es erneut. Durch das Dachfenster über ihnen konnten sie langsam die ersten Sterne am dunklen Himmel erkennen.
Die Straßen wirkten zeitlos und strahlten die Ruhe der Aristokratie, alten Geldes, vielleicht sogar von Monarchie aus. An dem breiten, malerischen Küstenstreifen standen Gebäude wie aus einer anderen Zeit, verfielen und schienen nachdenklich auf den Atlantik hinauszublicken. Einen Steinwurf von Oruelas und Jeans Liebesnest entfernt lag eine Straße, deren Häuser verschiedene Kliniken beherbergten. Jedes davon bot eine moderne, spezialisierte Behandlung für die zahlreichen Krankheiten an, die die Reichen von Biarritz befielen. Auf Messingschildern wurden die Wunder dieser Therapien angepriesen, und einige hatten sogar Neonschilder. Etwa in der Mitte der Straße fiel über einem dieser Schilder elektrisches Licht aus einem Fenster im ersten Stock durch die Fensterläden nach draußen.
In diesem Zimmer saß Norbert Bruyere, Oruelas Vormund, in seiner Unterwäsche auf dem Rand eines ledernen Ohrensessels. Seine restliche Kleidung hing ordentlich über einem stummen Diener, und auf einem Beistelltisch standen eine Tasse Kaffee und ein Stück Kuchen, das er noch nicht angerührt hatte.
Norbert Bruyere sah müde aus. Er starrte die nackte, weiße Wand vor sich mit leerem Blick an. Obwohl er ein großer Mann war, saß er mit eingesunkenen Schultern da.
Es klopfte leise an der Tür, und dann trat der Therapeut Dr. von Streibnitz ein. Der Arzt war ein kleiner Mann mit Brille, der beim Reden mit seinen kalkweißen Händen in der Luft herumfuchtelte.
»Mein guter Norbert. Es tut mir so leid, dass ich Sie habe warten lassen. Ein wichtiger Anruf. So. wie geht es Ihnen?«
»Nicht gut, Helmut, gar nicht gut.«
»Tja, Sie wissen ja, dass Sie sich nach der Behandlung immer ein wenig ermattet fühlen. Ich hoffe, die Schwester hat sich gut um Sie bekümmert? Wie lange waren Sie drin?«
»Eine Stunde, wie immer. Aber, Helmut, es ist nicht nur das, es geht um mein ganzes Leben. Ich habe keine Energie mehr, nicht ein bisschen. Manchmal fühle ich mich so müde.«
»Ich nehme Sie mal unter die Lupe«, sagte der Doktor und untersuchte Norberts Augen, seine Ohren, die Kehle und horchte ihm die Brust ab. »Ich bezweifle, dass mit Ihnen etwas nicht stimmt, Sie haben nur eine leichte Frühjahrserkältung. Das liegt nur am Wechsel der Jahreszeiten. Wir werden alle nicht jünger.« Er schloss die Untersuchung ab und wusch sich die Hände in dem kleinen Waschbecken. »Ich werde Ihnen noch etwas von dem Badesalz geben, das Sie letztes Jahr bekommen haben. Es wird Ihnen guttun. Jetzt ziehen Sie sich an, und kommen Sie in mein Büro, dort können wir uns weiter unterhalten.«
Träge kam Norbert seiner Aufforderung nach.
Die hübsche junge Krankenschwester, die nebenan am Schreibtisch saß, schenkte ihm ein strahlendes Lächeln, das er nicht erwiderte und noch nicht einmal zu bemerken schien. Sie zuckte mit den Achseln und las dann weiter in dem Buch, das vor ihr lag.
»So, mein Freund«, meinte der Arzt und klopfte auf die breite Ledercouch. »Legen Sie sich hin, und schütten Sie mir Ihr Herz aus. Was halten Sie eigentlich von meiner neuen Krankenschwester?«
»Sie ist mir gar nicht aufgefallen.«
»Nicht aufgefallen! Norbert! Um Himmels willen! Sie ist Ihnen nicht aufgefallen …« Der Arzt hielt seine Hände so, als hätte er Brüste, und wackelte damit.
»Aber das ist doch mein Problem, Doktor! Ich habe das Interesse verloren.«
»Aber Norbert, ich habe es Ihnen doch schon einmal gesagt. Sie sind vor einem Jahr in einer ähnlichen Verfassung zu mir gekommen, und ich habe Ihnen gesagt, dass die körperliche Behandlung nur wirken kann, wenn Sie auch Ihre Einstellung ändern. Wir haben uns doch gebessert, oder? Trägheit ist selbstzerstörerisch, Sie müssen positiv denken. Haben Sie
Weitere Kostenlose Bücher