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Franzosenliebchen

Franzosenliebchen

Titel: Franzosenliebchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Zweyer
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Wegen erwiesener Unschuld.«
    Treppmann schlug die
Hände vor das Gesicht.
    »Das Urteil ist
endgültig. Eine Revision gibt es zwar. Aber sie hätte
binnen vierundzwanzig Stunden eingereicht werden müssen. Wer
hätte das tun sollen? Der französische Ankläger?
Oder der Verteidiger? Außerdem kann ein Revisionsantrag
eigentlich nur auf prozessuale Mängel gestützt werden.
Und die lagen in diesem Fall augenscheinlich nicht
vor.«
    »Das
heißt, die Mörder meiner Tochter laufen wieder frei
herum?«
    »Wenn die beiden
Soldaten tatsächlich die Täter waren,
ja.«
    »Und da kann man
gar nichts machen?«
    »Leider
nein.«
    »Aber die
Beweise … Das Koppel …«
    Schafenbrinck zuckte
mit den Schultern. »Wie es heißt, konnten die
verdächtigen Soldaten nachweisen, dass sie im Besitz ihrer
Koppel waren.«
    »Und die
Augenzeugen? Kalle Soltau und Adolf Schneider haben die Franzosen
doch an dem Abend ganz in der Nähe der Ruine
gesehen.«
    »Erstens wurden
diese Zeugen vom Gericht nicht gehört, zweitens haben die
Soldaten ausgesagt, dass sie um diese Zeit auf ihrem Posten am
Bahnhof waren.«
    »Die lügen
doch. Hat sie dort jemand gesehen?«
    »Nein. Aber sie
haben ihre Aussagen gegenseitig bestätigt. Und da sie unter
Eid gestanden haben, hat das Gericht ihnen geglaubt. Herr
Treppmann, finden Sie sich damit ab. Eine irdische Gerechtigkeit
wird die Mörder Ihrer Tochter aller Wahrscheinlichkeit nicht
strafen. Vertrauen Sie auf Gott. Er wird die Schuldigen
richten.«
    Treppmann machte eine
verächtliche Handbewegung. »Nichts für ungut, Herr
Schafenbrinck. Sie haben mir und meiner Familie wirklich sehr
geholfen. Aber lassen Sie mich mit Gott in Ruhe. Tot sehen will ich
die Kerle, die meinem Mädchen das angetan haben. Gottes
Gerechtigkeit reicht mir nicht. Aber so ist es nun mal: Eine
Krähe hackt der anderen kein Auge aus.«
    »Ich kann
verstehen, dass Sie verzweifelt sind. Es tut mir wirklich leid,
Ihnen auch noch diesen Schmerz bereiten zu
müssen.«
    »Können wir
die Täter nicht vor unsere Gerichte stellen? Es muss doch
einen Weg geben«, klagte Treppmann.
    »Herr Treppmann,
verstehen Sie doch: General Degoutte hat eindeutig verfügt,
dass alle französischen Militärpersonen
ausschließlich der französischen
Militärgerichtsbarkeit unterliegen. Deutsche Gerichte sind
nicht zuständig. Ich fürchte, es bleibt Ihnen
tatsächlich nichts anders übrig, als auf Gott zu
hoffen.«
    »Das, Herr
Schafenbrinck, dauert mir zu lange.«

6
    Sonntag, 4. Februar
1923
    Schweißgebadet
wachte Peter Goldstein auf. Seine Zunge fühlte sich pelzig an.
Langsam öffnete er die Augen. Auf seinem Sofakissen fanden
sich Blutspuren. Einmal mehr hatte er sich im Schlaf die Lippen
blutig gebissen. Warum konnte die Vergangenheit nicht von ihm
lassen, warum verfolgte sie ihn unablässig in seinen
Träumen?
    Goldsteins Schulter
schmerzte. Wie so oft war er auf dem kleinen Sofa eingeschlafen,
das zusammen mit einem Sessel, einem Stuhl und einem klapprigen
Eichentisch fast das gesamte Mobiliar seiner Küche bildete. In
der Ecke des etwa fünfzehn Quadratmeter großen Raumes
befand sich ein rundes Waschbecken aus Emaille, links daneben stand
der Küchenofen, der als Kochstelle und einzige
Wärmequelle diente. Peter Goldstein fröstelte. Ein
untrügliches Zeichen dafür, dass der Ofen über Nacht
ausgegangen war.
    Mühsam richtete
sich Goldstein auf. Das Buch, in dem er bis tief in die Nacht
gelesen hatte und darüber eingeschlafen war, fiel zu Boden. Er
wischte sich mit der Hand über die Augen, um den Schlaf, aber
vor allem die Erinnerung an den schrecklichen Traum zu
verscheuchen. Er musste Feuer machen.
    Eine Viertelstunde
später verbreitete der Kohleofen eine wohlige Wärme.
Goldstein stellte eine große Schüssel mit Wasser auf die
Herdplatte, dann zog er sich aus, putzte mit kaltem Wasser seine
Zähne, löste ein wenig Seife mit dem Naturhaarpinsel in
einen kleinen Becher und verteilte den Schaum sorgfältig in seinem
Gesicht. Er klappte das Rasiermesser auf und schabte, die Haut mit
dem Zeige- und Mittelfinger der linken Hand spannend, die
Bartstoppeln von Wangen und Hals. Kritisch musterte er sich im
Spiegel, nickte befriedigt und spülte den restlichen Schaum
ab. Anschließend prüfte er die Temperatur des Wassers in
der Schüssel und wusch sich gründlich und
systematisch.
    In seiner kleinen
Kammer, in der er üblicherweise schlief, prangten Eisblumen am
Fenster. Peter Goldstein ließ die Tür zur Küche
offen, um auch diesen Raum

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