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Franzosenliebchen

Franzosenliebchen

Titel: Franzosenliebchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Zweyer
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aufgeschüttete einzige
Bahnsteig war nicht überdacht und die Strecke lediglich
eingleisig. Die nahe gelegene Gemeinde Sodingen im Süden, zu
der das Amt Börnig mit der Schachtanlage Mont-Cenis
gehörte, die Zechen Teutoburgia im Osten und Friedrich der
Große im Norden sorgten jedoch normalerweise für eine
ausreichende Anzahl an Fahrgästen. Am Abend war das allerdings
anders. Schon in ihrem Waggon war sie allein gewesen, und als Agnes
ausstieg, musste sie feststellen, dass außer ihr niemand den
Zug verließ. Auch die französischen Soldaten, die
eigentlich die Gleisanlagen bewachen sollten, waren nicht zu
sehen.
    Der Zug fuhr ab. Es
war noch kälter geworden. Der Wind kroch unter ihren Mantel.
Sie fröstelte. Eilig wandte sich Agnes nach Osten, um
über die Wilhelmstraße das elterliche Wohnhaus in der
Schadeburgstraße zu erreichen.
    Als sie die Hafenbahn
Mont-Cenis passiert hatte, meinte sie, Schritte und leise Stimmen
hinter sich wahrzunehmen. Die junge Frau blieb stehen, drehte sich
um, sah in ein schwarzes Loch und lauschte erfolglos. Angst kroch
in ihr hoch. Ärgerlich über sich selbst setzte sie ihren
Weg fort. Wie ein Schulmädchen, dachte sie. Die fürchten
sich auch im Dunkeln.
    Links lag der kleine
Kotten, in dem die Witwe Bommer mehr schlecht als recht zusammen
mit zwei Ziegen und einer stattlichen Zahl Hühner hauste.
Vollkommene Dunkelheit umgab ihn und nur der Wind war zu
hören.
    Vor Agnes lagen noch
einige hundert Meter. Dann würde sie den Schutz der
heimatlichen Siedlung erreichen. Sie musste nur noch die Ruine des
abgebrannten Hauses passieren, welche schon bei Tageslicht einen
bedrohlichen Eindruck machte. Agnes schaute sich erneut um.
Irgendwo bellte ein Hund. Die junge Frau beschleunigte ihre
Schritte und spähte in die Nacht. Schemenhaft konnte sie den
Kamin der Ruine ausmachen, der den Brand überstanden hatte und
nun wie ein ausgestreckter, knochiger Finger in den Himmel ragte.
Pass auf, schien der Kaminfinger zu drohen, pass nur auf. Nun
begann sie sich doch wirklich zu fürchten. Aber es war ja
nicht mehr weit.
    Plötzlich
hörte Agnes ein Rascheln aus einem Gebüsch, das direkt am
Straßenrand wucherte. Erschrocken fuhr sie herum. Sie vernahm
ein Keuchen, eine dunkle Gestalt sprang auf sie zu, und ehe Agnes
reagieren konnte, wurde ihr eine Art Riemen um den Hals
geschlungen. Ihr Hilfeschrei erstarb zu einem leisen
Röcheln.
    Die junge Frau schlug
und trat um sich. Aber sie konnte sich nicht befreien. Der Riemen
um ihren Hals lockerte sich nicht. Für einen Moment glaubte
sie, ein Gesicht zu erkennen. Oder waren es zwei? Dann aber blitzen
nur noch Lichter vor ihren Augen. Sie riss den Mund weit auf,
wollte tief einatmen, aber der Riemen schnitt schon tief in ihren
Hals. Schwindel erfasste sie.
    Agnes bäumte sich
auf. Luft! Dann war es vorbei.

2
    Freitag, 26. Januar
1923
    Die Villa der Familie
Königsgruber befand sich südlich der Recklinghäuser
Innenstadt. Ein herrschaftlicher Garten umgab das Gebäude. Aus
Stein gehauene Löwen bewachten links und rechts das hohe
schmiedeeiserne Tor, welches die Zufahrt zum Haus versperrte. Das
gesamte Anwesen gab vor allem eins zu verstehen: Hier wohnt
Reichtum.
    Siegfried
Königsgruber war Inhaber einer Metallwarenfabrik. Fast
dreißig Menschen hatten bei Kriegsende für ihn
gearbeitet. Heute waren es nur noch zwölf. Schon als
Fünfundzwanzigjähriger hatte Siegfried das
väterliche Erbe antreten müssen. Obwohl er - anders als
sein Vater - das Handwerk des Schmieds nie gelernt hatte, war es
ihm durch Geschick und Umsicht gelungen, die richtigen Mitarbeiter
zu gewinnen und die kleine Schmiede zu einer florierenden
Metallfabrik auszubauen.
    Ursprünglich
hatte das Unternehmen vor allem Töpfe und Pfannen aus Stahl
produziert, aber mit Ausbruch des Krieges auf Helme,
Koppelschlösser und anderes Armeezubehör umgestellt. Eine
kluge Entscheidung. Je mehr junge Männer im Trommelfeuer des
Stellungskrieges als Kanonenfutter verheizt wurden, umso höher
waren die Auftragsordern, die das Beschaffungsamt des Heeres an die
Metallwarenfabrik Siegfried Königsgruber schickte.
    Doch nach Kriegsende
versickerte der unverhoffte Geldsegen. Königsgruber hatte mehr
als die Hälfte seiner Leute entlassen müssen und wieder
Friedensware produziert. Das Geschäft lief mehr schlecht als
recht. Der Fabrikant zehrte von seinen Rücklagen und
verfluchte den Frieden, die Revolution und vor allem die
Demokratie.
    Am heutigen Abend war
sein Freund Wieland Trasse zu

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