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Franzosenliebchen

Franzosenliebchen

Titel: Franzosenliebchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Zweyer
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mit aufgepflanztem Seitengewehr jede
Bewegung der Deutschen misstrauisch beobachteten.
    In Windeseile sprach
es sich in der Siedlung herum, dass die Franzosen den Pütt
besetzt hatten. Immer mehr Menschen versammelten sich vor dem
Eingangstor, immer erregter brodelte die Gerüchteküche
und immer abenteuerlicher wurden die Geschichten, die sich die
Leute erzählten.
    »Hasse schon
gehört, dat die Franzmänner drei der unseren erschossen
haben?«, fragte eine Frau ihre Nachbarin.
    Die Angesprochene
schlug die Hand vor den Mund: »Mein Gott! Aber dat musste ja
so kommen … Un anne Schächte wollen se auch ran.
Sprengen un so.«
    »So ein
Quatsch«, mischte sich ein anderer ein. »Die wollen
unsre Kohle. Da tun die doch nich die Schächte
sprengen.«
    »Gerade du muss
ja wieder allet besser wissen«, gab die erste zurück.
»Bis ja ohnehin so ’n Neunmalklugen. Guck dir dat doch ma an. Mitte
Gewehre stehn die da. Warum ham die die bloß, wat
meinze?«
    Ihre Aufmerksamkeit
wurde abgelenkt. Die Franzosen zwangen zwei weitere Männer,
auf die Ladefläche des Kraftwagens zu klettern.
    »Dat is doch der
Bergassessor Kersten und der Rechnungsführer
Schönborn«, rief jemand. »Wat soll´n die
denn verbrochen haben?«
    »Flugblätter«,
antwortete ein Mittvierziger, dessen Kleidung ihn als einen
Zechenangestellten auswies. »Die beiden haben Anweisung
erteilt, die Flugblätter der Franzosen wieder
abzureißen.«
    Einige Männer
hoben drohend die Fäuste und stießen Schmährufe
aus, als der Motor des Wagens startete. Die Menge rückte enger
zusammen. Die ganz vorn Stehenden machten Anstalten, die
Straße zu überqueren und sich dem Fahrzeug zu
nähern.
    Der befehlshabende
französische Offizier nestelte nervös an seinem
Pistolenhalfter, seine Untergebenen hielten ihre Karabiner fester.
Aus der Pförtnerloge trat ein weiterer Offizier, sondierte
kurz die Situation und rief einige Befehle. Die Soldaten bildeten
eine Reihe, senkten ihre Waffen und marschierten, das Bajonett im
Anschlag, auf die Menge zu.
    Die Menschen stoppten,
blieben einen Moment unschlüssig stehen und wichen dann
ängstlich zurück. Als sie wieder ihren
ursprünglichen Standort erreicht hatten, verharrten die
Soldaten in der Mitte der Straße und sicherten so die Abfahrt
des Lastkraftwagens mit den Verhafteten.
    »Gehen Sie nach
Hause«, ordnete der Offizier an. Er sprach mit starkem
Akzent. »Hier gibt es nichts zu sehen.«
    Dann drehte er sich
um, wechselte einige erregte Worte mit seinem Kollegen und begab
sich zurück in das Gebäude. Etwas ratlos sahen die
Deutschen dem abfahrenden Wagen nach.
    »Ich sag es zwar
nicht gern, aber der Franzose hat recht.« Hermann Treppmann
hatte seine Stimme erhoben. »Das bringt nichts,
hierzubleiben. Mein Vorschlag: Der Betriebsrat und die Gewerkschaft
sollten sich heute in der Gaststätte Teutoburgia treffen, um
das weitere Vorgehen zu beraten, und …«
    »Dat geht
nich«, brüllte jemand. »Der
Betriebsratsvorsitzende liegt mit Grippe im Bett.«
    »Wer’s
glaubt«, kam die Antwort.
    Einige
lachten.
    »Dann eben in
den nächsten Tagen.«   
    »Welche
Gewerkschaft meinst du?«, rief ein anderer mit
spöttischem Unterton zurück. »Deine? Oder auch die
Christlichen?«
    »Natürlich.
Das sind doch ebenso unsere Kollegen, oder nicht?«
    Treppmanns Wort hatte
Gewicht in der Teutoburgia-Siedlung. Als er noch als Hauer unter
Tage hatte arbeiten können, war er bei Kollegen und
Vorgesetzten gleichermaßen angesehen gewesen. Er verhandelte
mit dem Steiger das Gedinge und nie gerieten diese Gespräche
zum Nachteil seiner Kollegen. Aus den heftigen politischen
Diskussionen zwischen Sozialdemokraten, Kommunisten und
Christlichen, die nur allzu oft in handfesten Streit ausarteten,
hielt er sich jedoch heraus. »Unter Tage sind wir alle
schwatt«, pflegte er zu sagen, wenn ihn Kollegen zum Eintritt
in ihre Partei bewegen wollten. »Da ist es egal, ob wir
über Tage rot, dunkelrot oder sonst wie denken. Wir sind alle
Bergleute. Und müssen sehen, wie wir unsere Familien am Kacken
halten.« Obwohl parteipolitisch neutral, stand er
andererseits fest zum Alten Verband, der eher sozialdemokratisch
orientierten Gewerkschaft der Bergarbeiter. Die Abspaltung der
christlichen Gewerkschaften hielt Treppmann für ein
großes Unglück und unermüdlich versuchte er, die
Christlichen zurück in den ADGB zu
holen.       
    Es war nur
folgerichtig, dass ihn seine Kollegen in den Betriebsrat
gewählt hatten, wo er wegen seiner

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