Franzosenliebchen
über dieses Treffen verlierst,
werde ich dich persönlich zur Rechenschaft
ziehen.«
Der Angesprochene
stand auf und verließ die Küche ohne
Gruß.
Saborski setzte sich
wieder. »So«, sagte er mit einem verächtlichen
Seitenblick auf Kowalke. »Und jetzt erkläre ich euch,
was wir zukünftig tun werden.«
19
Dienstag, 20. Februar
1923
Es stank nach kaltem
Zigarrenrauch. Colonel Dupont riss trotz der feuchten Kälte,
die draußen herrschte, die Fenster auf. Er und zwei
Mitarbeiter des militärischen Nachrichtendienstes hatten sich
in der Gräff-Schule zu einer Lagebesprechung eingefunden.
Derartige Zusammenkünfte fanden mindestens einmal in der Woche
statt, bei Bedarf auch öfter. Heute war einer dieser
besonderen Anlässe.
Die drei Offiziere
hatten an einem Ende des langen Eichentisches Platz genommen, der
vor der Besetzung den Lehrkräften der Schule Vorbehalten
gewesen war. Vor den Männern standen Gläser, eine Flasche
Rotwein sowie eine Karaffe mit Wasser. Vor Dupont lag zudem ein
dünner Aktenordner.
Der Colonel
öffnete die Flasche, prüfte den Korken und verteilte den
Wein. Er hob sein Glas. »A votre
santé.«
Nachdem sie alle
getrunken hatten, begann er: »Messieurs. Wie Sie wissen,
haben wir die Information erhalten, dass ein deutscher
Polizeibeamter in unser Hoheitsgebiet eingereist ist oder einreisen
wird, um, ohne von uns dazu autorisiert worden zu sein,
eigenmächtig Untersuchungen in einem tragischen Mordfall
vorzunehmen. Es versteht sich von selbst, dass diese Aktivität
ausschließlich mit der Absicht erfolgt, die französische
Armee zu diskreditieren und unsere staatliche Autorität
infrage zu stellen. Ein solches Vorgehen können wir
selbstverständlich nicht billigen. Wir haben deshalb den
Befehl erhalten, die Handlungen des deutschen Polizisten als
feindlichen Spionageakt zu betrachten, den Täter festzunehmen
und unserer Gerichtsbarkeit zuzuführen.«
»Dazu
müssten wir ihn aber zunächst einmal haben«,
bemerkte einer der Nachrichtenoffiziere, ein etwas untersetzter
Dunkelhaariger von Anfang vierzig, trocken.
»Deswegen, mein
lieber Pialon, sitzen wir ja hier«, erwiderte der Colonel.
»Unsere Pflicht ist es als Erstes, den Polizisten
festzusetzen. Wie wir das tun, ist dem General egal. Was haben wir
bisher?«
Capitaine Mirrow, der
dritte Offizier, meldete sich zu Wort. »Die Posten an den
Ausfallstraßen in die unbesetzten Gebiete wurden
verstärkt und die Kontrollen an den Straßensperren
intensiviert. Außerdem werden die Fernverkehrszüge ohne
Ausnahme überwacht.«
»Was ist mit den
Personenkontrollen in unserem Hoheitsgebiet?«, fragte
Dupont.
»Bisher leider
keine Ergebnisse. Wir wissen zu wenig über diesen Mann. Er
spricht Französisch, na und? Das tun viele. Aber wie sieht er
aus? Wie alt ist er? Wo wohnt er? Unsere deutschen Informanten
können uns auch nicht helfen. Behaupten sie
zumindest.«
Dupont erinnerte sich
an sein gestriges Gespräch mit Trasse. Nachdem der General mit
dem Deutschen fertig gewesen war, hatte Dupont die Order erhalten,
den Regierungsrat zu seiner Wohnung zurückzubringen. Und
gleich die Gelegenheit genutzt, ihn nach dem unbekannten Polizisten
zu fragen. Doch auch Trasse hatte Unkenntnis signalisiert. Ob diese
Aussage stimmte? Immerhin hatte Trasse zugesagt, vorsichtig
Erkundigungen bei seinen Landsleuten einzuholen. Der Colonel nahm
sich vor, dem Finanzbeamten baldmöglichst erneut auf den Zahn
zu fühlen.
Laut sagte Dupont:
»Der Spion wird Helfer brauchen. Wenn nicht gleich von Beginn
an, dann später. Wer könnten seine Vertrauensleute
sein?«
Lieutenant Pialon
kratzte sich nachdenklich am Kopf. »Ich glaube nicht, dass er
sich den aktiven Widerständlern anschließen wird. Ihr
Reichskanzler hat zwar zum passiven Widerstand aufgerufen und den
deutschen Beamten jede Kooperation mit unseren Behörden
verboten, aber gleichzeitig auch erklärt, dass sich
Deutschland nicht aktiv gegen unsere Armee wehren werde. Der Spion
ist mit großer Wahrscheinlichkeit Polizeibeamter. Er wird
sich an die Anweisungen seines obersten Vorgesetzten halten. Nein,
wenn er Unterstützung benötigt, wird er sie bei
seinesgleichen suchen.«
»Bei der
Polizei?«, vergewisserte sich
Dupont.
»Oder bei
anderen Beamten. Aber ich glaube, in der Tat eher bei der
Polizei.« Pialon drehte das Glas in seiner Hand.
»Dann befragen
Sie eben die deutschen Polizisten.«
»Ich glaube
kaum, dass wir viel erfahren werden. Die leitenden Beamten
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