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Fratze - Roman

Titel: Fratze - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: PeP eBooks
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meiner Mutter die Butter.
    Mein Vater räuspert sich. »Beule«, sagt er, »ich glaube, ›Fletching‹ ist das Wort, das deine Mutter meinte.« Er sagt: »Es bedeutet, dass man den Truthahn in ganz dünne Streifen schneidet.«
    Schweigen.
    Ich sage: Oh. Ich sage: Tut mir leid.
    Wir essen.

8
    E rwartet nicht, dass ich meinen Eltern je was von meinem Unfall erzählen werde. Heulend am Telefon, Ferngespräch, und alles über die Kugel und die Notaufnahme. Kommt überhaupt nicht in Frage. Als ich wieder schreiben konnte, habe ich meinen Eltern mitgeteilt, ich würde zu Katalogaufnahmen für Espre nach Mexiko fliegen.
    Sechs Monate Spaß und Sand, und ich versuche die Limonenstücke aus den langhalsigen mexikanischen Bierflaschen zu saugen. Männer stehen total drauf, den Mädels dabei zuzusehen. Stellt euch vor. Männer.
    Sie mag die Sachen von Espre, schreibt meine Mom zurück. Sie schreibt, ob ich ihr, wo ich doch im Espre-Katalog bin, nicht vielleicht einen Rabatt für ihre Weihnachtsbestellung verschaffen könnte.
    Tut mir leid, Mom. Tut mir leid, Gott.
    Sie antwortet: Na, dann sieh hübsch aus für uns. Liebe Grüße und Küsse.
    Meistens ist es sehr viel leichter, die Welt nicht wissen zu lassen, was mit einem nicht stimmt. Meine Eltern nennen mich Beule. Ich war neun Monate lang die Beule im Bauch meiner Mom; sie haben mich schon Beule genannt, bevor ich geboren wurde. Sie leben zwei Autostunden von mir entfernt, aber ich komme praktisch nie zu Besuch. Ich meine, sie brauchen nicht jede Kleinigkeit über mich zu wissen.

    In einem Brief schreibt meine Mom:
    »Bei deinem Bruder wissen wir wenigstens, ob er tot oder lebendig ist.«
    Mein toter Bruder, der König von Schwuchtelhausen. Für alle der Größte. Der Basketballkönig, bis er sechzehn war und wegen einer Angina zum Arzt ging und Gonorrhö diagostiziert bekam, also, ich weiß nur, dass ich ihn gehasst habe.
    »Es ist nicht so, dass wir dich nicht lieben«, schreibt meine Mom in einem ihrer Briefe, »wir zeigen es nur nicht so.«
    Aber Hysterie geht nur mit Publikum. Man weiß, was man tun muss, um am Leben zu bleiben. Die Leute machen einen völlig verrückt mit ihren Reaktionen von wegen, ist ja so schrecklich, was passiert ist. Zuerst die Leute in der Notaufnahme, die einen vorlassen. Dann die Franziskanerin mit ihrem Geschrei. Dann die Polizei mit ihrem Krankenhausformular.
    Springt zu dem Leben zurück, als man noch ein Baby war und nur Babynahrung essen konnte. Man watschelt zum Couchtisch rüber. Man steht auf den Füßen, und man muss immer weiterwatscheln auf diesen Wiener-Würstchen-Beinen, sonst fällt man um. Dann kommt man beim Couchtisch an und stößt seinen großen weichen Babykopf an der scharfen Kante.
    Man fällt auf den Hintern, und Mannomann, das tut ganz schön weh. Trotzdem ist die Sache nicht weiter tragisch, bis Mom und Dad angelaufen kommen.
    O du armes, tapferes Ding.
    Erst dann fängt man an zu weinen.
     
    Springt zu Brandy und mir und Seth, wie wir zu dieser Space Needle in Seattle, Washington, rauffahren. Es ist
unser erster Stopp nach der kanadischen Grenze, abgesehen von der einen Pause, die wir gemacht hatten, damit ich für Seth schnell einen Kaffee kaufen konnte - Sahne, Zucker und Climara - und eine Coca-Cola - ohne Eis, mit Estradiol. Es ist elf Uhr, und die Space Needle macht um Mitternacht zu, und Seth meint, es gebe zwei Sorten von Menschen auf der Welt.
    Die Prinzessin Alexander wollte zuerst ein nettes Hotel suchen, irgendwas mit Parkservice und gekachelten Bädern. Vielleicht hätten wir Zeit für ein kleines Schläfchen, bevor sie losziehen und Medikamente verkaufen muss.
    »Stell dir vor, du bist in einer Gameshow«, sagt Seth über seine zwei Sorten von Menschen. Seth hat den Freeway bereits verlassen, wir fahren zwischen finsteren Lagerhäusern herum und biegen jedes Mal in Richtung Space Needle ab, wenn wir sie zu sehen kriegen. »Du bist also Sieger geworden in so einer Gameshow«, sagt Seth, »und jetzt hast du die Wahl zwischen einer fünfteiligen Couchgarnitur von Broyhill, empfohlener Ladenverkaufspreis dreitausend Dollar - oder - einer zehntägigen Reise nach Europa mit seinem Alte-Welt-Charme.«
    Die meisten Leute, sagt Seth, würden die Couchgarnitur nehmen.
    »Das ist, weil die Leute was zum Vorzeigen haben wollen«, sagt Seth. »Wie die Pharaos und ihre Pyramiden. Vor die Wahl gestellt, würden sich nur wenige Leute für die Reise entscheiden, selbst wenn sie schon eine schicke Couchgarnitur zu

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