Fratze - Roman
Hause haben.«
Niemand parkt in den Straßen um das Seattle Center, die Leute sind alle zu Hause und sehen fern, oder sie sind selbst das Fernsehen, sofern man an Gott glaubt.
»Ich muss euch zeigen, wo die Zukunft geendet hat«,
sagt Seth. »Ich möchte, dass wir die Leute sind, die sich für die Reise entscheiden.«
Seth zufolge hat die Zukunft 1962 auf der Weltausstellung in Seattle geendet. Da war es, was wir hätten beerben sollen: der Mensch auf dem Mond innerhalb dieses Jahrzehnts - Asbest, unser Freund der Wunderwerkstoff - die atomgetriebene und fossilbefeuerte Welt des Raumfahrtzeitalters, wo man Familie Jetson in ihrem Fliegende-Untertassen-Apartmenthaus besuchen und dann mit der Einschienenbahn in die Stadt fahren konnte, um sich die neuesten Pillbox-Hutmodelle im Bon Marché vorführen zu lassen.
Alle seine Hoffnungen, Wissenschaft, Forschung und Glamour, das alles liegt hier in Trümmern:
Die Space Needle.
Das Science Center mit seinen Zuckerbäckerkuppeln und hängenden Leuchtkugeln.
Die Einschienenbahn, wie sie in gebürstetes Aluminium gehüllt durch die Gegend schießt.
Dahin hätte es mit unserem Leben gehen sollen.
Geht hin. Schwelgt in Erinnerungen, sagt Seth. Es wird euch das Herz brechen, die Jetsons mit ihrem Roboterdienstmädchen Rosie, ihren Fliegende-Untertassen-Autos und den Toasterbetten, die einen morgens ausspucken, das alles kommt einem vor, als hätten die Jetsons die Space Needle an die Familie Feuerstein untervermietet.
»Ihr wisst schon«, sagt Seth. »Fred und Wilma. Der Müllschlucker, der in Wirklichkeit ein Schwein ist, das unter der Spüle wohnt. Die Möbel, die alle aus Knochen und Stein gemacht sind, und die Tigerfelllampenschirme. Wilma saugt mit einem kleinen Elefanten Staub und schüttelt die Steine auf. Ihr Baby haben sie ›Pebbles‹ genannt.«
Hier lag unsere Zukunft aus Käsenahrung und Aerosol-Treibgasen, Styropor und Club Med auf dem Mond und Roastbeef aus der Zahnpastatube.
»Seetang«, sagt Seth, »Frühstück mit den Astronauten. Und jetzt kommen die Leute hierher auf Sandalen, die sie selbst aus Leder gemacht haben. Ihre Kinder nennen sie Silpa und Zebulun, wie im Alten Testament. Linsen sind schwer angesagt.«
Seth schnieft und wischt mit einer Hand über die Tränen in seinen Augen. Das ist nur das Estradiol. Offenbar ist er in der prämenstruellen Phase.
»Die Leute, die heutzutage zur Space Needle kommen«, sagt Seth, »die haben zu Hause eine Schüssel mit Linsen zum Einweichen stehen, und sie wandern durch die Ruinen der Zukunft auf die gleiche Art, wie es die Barbaren getan haben, als sie griechische Ruinen fanden und sich einredeten, die müssten von Gott erbaut worden sein.«
Seth parkt unser Auto unter einem der drei großen Stahlbeine der Space Needle. Wir steigen aus und blicken an den Beinen entlang nach oben, auf das untere Restaurant, das obere Restaurant, das sich dreht, dann die Aussichtsplattform ganz oben. Dann die Sterne.
Springt zu dem traurigen Moment, wo wir unsere Tickets kaufen und in den großen verglasten Fahrstuhl steigen, der in der Mitte der Space Needle rauf- und runtergleitet. Wir sind in diesem Käfig aus Glas und Messing auf Go-Go-Danceparty-Reise zu den Sternen. Auf der Fahrt nach oben möchte ich hypoallergene Telestar -Musik hören, unberührt von Menschenhand. Irgendwas Computererzeugtes, gespielt auf einem Moog-Synthesizer. Ich möchte Twist tanzen auf einer TWA-Pendlerflug-Go-Go-Danceparty
zum Mond, wo coole Typen und Mädels bei Schwerelosigkeit den Mash Potato tanzen und leckere Snackpillen schlucken.
Das möchte ich.
Ich erzähle Brandy Alexander davon, und sofort tritt sie an die Messing- und Glasfenster und tanzt den Twist, obwohl, wenn man nach oben fährt, ist es wegen der Fliehkräfte so, als würde man den Twist auf dem Mars tanzen, wo man an die vierhundert Kilo wiegt.
Der traurige Teil kommt, als der Typ in der Polyesteruniform, der den Fahrstuhl bedient, das Wesentliche an der Zukunft überhaupt nicht kapiert. Der Witz an der Sache entgeht ihm komplett, und dieser Typ gafft uns an, als wären wir kleine Hundewelpen, wie man sie hinter Glas in Tierhandlungen in Vorstadteinkaufsstraßen sehen kann. Als wären wir solche Welpen mit gelbem Schleim in den Augen und im Poloch, und du weißt genau, dass sie im Leben keinen vernünftigen Stuhlgang mehr haben werden, aber trotzdem stehen sie für sechshundert Dollar pro Nase zum Verkauf. Diese Hündchen sind so erbarmungswürdig, dass selbst die
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