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Fratze - Roman

Titel: Fratze - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: PeP eBooks
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Versuch ertappe, mich umzubringen.
    So wie mein kinnloses Gesicht beschaffen ist, endet mein Hals nach oben hin sozusagen in einem Loch, aus dem die Zunge hängt. Die Haut um das Loch herum ist ein einziges Narbengewebe: Dunkelrote Klumpen, und alles glänzt und sieht aus, als hätte ich beim Kuchenwettessen die Kirschtorte erwischt. Wenn ich meine Zunge runterhängen lasse, kann man meinen Gaumen sehen, rosa und glatt wie das Innere eines Krebsrückens, und daran hängt das weiße Wirbelhufeisen der oberen Zahnreihe, die mir geblieben ist. Es gibt Zeiten, da trägt man einen Schleier, und Zeiten, da tut man es nicht. Davon abgesehen, bin ich echt atemberaubend, als ich Seth Thomas entgegentrete, wie er um Mitternacht in Evies großes Haus eindringt.
    Was Seth die große geschwungene Treppe in Evies Vorhalle herunterkommen sieht, das bin ich in einem von Evies pfirsichrosa Negligees aus Satin und Spitze, diagonal geschnitten. Das hauchzarte Morgenmäntelchen darüber ist ein pfirsichrosa Retro-Teil à la Zsa Zsa Gabor, das mich ungefähr so verhüllt wie Zellophan einen tiefgefrorenen Truthahn. An den Ärmelaufschlägen und entlang der Vorderseite des Morgenmantels sitzt der pfirsichrosa
Ozonnebel aus Straußenfedern, passend zu den Federn auf den hochhackigen Pantoletten an meinen Füßen.
    Seth steht erstarrt am Fuß von Evies großer geschwungener Treppe, in der Hand Evies bestes 40-Zentimeter-Tranchiermesser. Eine von Evies figurformenden Strumpfhosen ist über Seths Kopf gezogen. Auf Seths Gesicht kann man Evies Baumwollzwickel sehen. Die Strumpfhosenbeine haben sich wie die Ohren eines Cockerspaniels über die Vorderseite seines ansonsten tadellos aufeinander abgestimmten Militärlook-Ensembles gelegt.
    Und ich bin eine Vision. Eine Stufe nach der anderen herabsteigend, der Spitze des Tranchiermessers entgegen, ganz langsam: Schritt-Pause-Schritt, wie ein Showgirl in einer großen Las-Vegas-Revue.
    Oh, ich bin einfach umwerfend. Ein echtes Sexmöbel.
    Seth steht da, den Blick nach oben gerichtet, zögernd, zum ersten Mal in seinem Leben hat er Angst, denn ich halte Evies Gewehr im Arm. Der Kolben ist an meine Schulter gedrückt, der Lauf nach vorn gerichtet in meinen beiden Händen. Das Fadenkreuz zeigt haargenau auf Evie Cottrells Baumwollzwickel.
    Da sind wir also, Seth und ich, in Evies Vorhalle mit den facettierten, bei der Eingangstür eingeschlagenen Glasfenstern und Evies österreichischem Kristallkronleuchter, der funkelt und glitzert wie Modeschmuck fürs Haus. Der einzige andere Gegenstand hier ist ein kleiner Schreibtisch in diesem auf französisch gemachten weiß-goldenen Provinzstil.
    Auf dem kleinen französischen Schreibtisch steht ein très Oh-la-la-Telefon, wo der Hörer so groß ist wie ein goldenes Saxophon und auf einer goldenen Gabel auf einem
Elfenbeingehäuse liegt. In der Mitte des Tastenscheibenkreises sitzt eine Kamee. Total schick, wie Evie wahrscheinlich glaubt.
    Das Messer vorgestreckt, meint Seth: »Ich werde dir nichts tun.«
    Ich mache die langsame Schritt-Pause-Schritt-Nummer die Treppe hinunter.
    Seth sagt: »Lass uns aufpassen, dass hier keiner zu Tode kommt.«
    Und wieder so ein Déjà-vu.
    Genau so hat Manus Kelley mich immer gefragt, ob ich meinen Orgasmus gekriegt hätte. Nicht mit diesen Worten, aber mit dieser Stimme.
    Seth sagt durch Evies Zwickel hindurch: »Ich hab nur mit Evie geschlafen, weiter nichts.«
    Déjà-vu hoch zwei.
    Lass uns segeln gehen . Es ist genau die gleiche Stimme.
    Seth lässt das Tranchiermesser fallen, und die Klinge bleibt haarscharf neben seinem Kampfstiefel im Parkettfußboden von Evies Vorhalle stecken. Seth sagt: »Falls Evie sagt, dass ich es war, der auf dich geschossen hat, dann lügt sie.«
    Auf dem Schreibtisch, neben dem Telefon, liegen ein Schreibblock und ein Bleistift zum Notizenmachen.
    Seth sagt: »Als ich gehört habe, dass du im Krankenhaus bist, wusste ich sofort, dass Evie dahintersteckt.«
    Das Gewehr auf dem einen Arm balancierend, schreibe ich auf den Block:
    nimm die Strumpfhose ab.
    »Hör zu, du kannst mich nicht töten«, sagt Seth. Seth zerrt am Bund der Strumpfhose. »Ich bin nur der Grund, warum Evie auf dich geschossen hat.«

    Ich schreite-pausiere-schreite die letzten paar Meter auf Seth zu, hake das Ende des Gewehrlaufs hinter den Strumpfhosenbund und ziehe das Ding von Seths kantigem Gesicht herunter. Seth Thomas, aus dem in Vancouver, British Columbia, Alfa Romeo werden sollte. Alfa Romeo, der auch Nash

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