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Fratze - Roman

Titel: Fratze - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: PeP eBooks
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ich abends zu Hause bleiben und im Zölibat leben kann. Oder ein Spanngummi für den Fall, dass es mal zum Cunnilingus kommen sollte. Klarsichtfolie. Latexhandschuhe.
    Perry Como singt: »Nuttin’ for Christmas.«
    Ich betrachte Shanes immer noch von Geschenken ausgebeulten Strumpf und frage: »Ihr habt auch was für Shane besorgt?«
    Falls es Kondome sind, kommen sie ein bisschen spät.
    Meine Mom und mein Dad sehen sich an. Mein Dad sagt zu meiner Mom: »Sag du es ihr.«
    »Das da ist von dir für deinen Bruder«, sagt meine Mom. »Sieh es dir an.«
    Springt zu mir, wie ich total verwirrt bin.
    Gib mir Klarheit. Gib mir Gründe. Gib mir Antworten.
    Blitz.
    Ich lange hoch, um Shanes Strumpf vom Kaminsims herunterzunehmen, und drinnen ist er gefüllt mit haufenweise zerknülltem Seidenpapier.
    »Du musst tiefer graben«, sagt mein Dad.
    Zwischen dem ganzen Papier ist ein verschlossener Briefumschlag.
    »Mach ihn auf«, sagt meine Mom.
    Im Umschlag steckt ein gedruckter Brief, auf dem gleich oben steht: Danke.
    »Im Grunde ist das ein Geschenk für unsere beiden Kinder«, sagt mein Dad.
    Ich kann nicht glauben, was ich lese.

    »Anstatt ein großes Geschenk für dich zu kaufen«, sagt meine Mom, »haben wir in deinem Namen eine Spende an den Welt-Aids-Forschungsfonds geschickt.«
    Im Strumpf ist noch ein zweiter Brief, den ich herausziehe.
    »Das«, sagt mein Dad, »ist Shanes Geschenk für dich.«
    Mann, jetzt reicht’s aber.
    Perry Como singt: »I Saw Mommy Kissing Santa Claus.«
    Ich sage: »Das gute alte tote Bruderherz, wie aufmerksam von ihm.« Ich sage: »Das war aber doch nicht nötig. Diese Mühe hätte er sich wirklich, wirklich nicht zu machen brauchen. Er müsste vielleicht mal aufhören mit Verleugnungs- und Verdrängungsstrategien und sich einfach dem Totsein stellen. Meinetwegen wiedergeboren werden.« Ich sage: »Dass er so tut, als würde er noch leben, das kann nicht gesund sein.«
    Innerlich bin ich am Toben. Ich hatte mir dieses Jahr so sehr eine neue Prada-Handtasche gewünscht. Es war nicht meine Schuld, dass diese blöde Haarspraydose in Shanes Gesicht explodiert ist. Kawumm, und da kam er ins Haus gewankt, seine Stirn wurde schon ganz schwarz und blau. Die lange Fahrt ins Krankenhaus, das eine Auge zugeschwollen, das Gesicht darum herum größer und immer größer werdend, weil alle Adern da kaputt waren und das Blut sich unter der Haut ergoss, und Shane hat die ganze Zeit kein Wort gesagt.
    Es war nicht meine Schuld, dass die Leute vom Sozialamt im Krankenhaus nur kurz einen Blick auf Shanes Gesicht geworfen und sich dann gleich auf meinen Vater gestürzt haben. Verdacht auf Kindesmisshandlung. Unterlassene Hilfeleistung. Familienintervention. Nichts davon
war meine Schuld. Aussagen von Polizisten. Ein Sozialarbeiter machte die Runde und befragte alle unsere Nachbarn, unsere Schulfreunde, unsere Lehrer, bis alle Leute, die wir kannten, mich nur noch auf die Du armes tapferes Ding -Tour behandelten.
    Am Weihnachtsmorgen, wo ich mit all diesen Geschenken hier auf dem Fußboden sitze, brauche ich einen Penis zu meinem Vergnügen, die anderen haben ja alle überhaupt keine Ahnung.
    Als die polizeiliche Untersuchung beendet war und man keine Beweise gefunden hatte, war unsere Familie trotzdem zerstört. Und immer noch glauben alle, dass ich es war, die das Haarspray weggeworfen hat . Und da ich die Sache ausgelöst hatte, war alles meine Schuld. Die Explosion. Die Polizei. Dass Shane weggelaufen ist. Sein Tod.
    Und es war nicht meine Schuld.
    »Im Ernst«, sage ich, »wenn Shane mir wirklich ein Geschenk machen wollte, würde er von den Toten zurückkehren und mir die neuen Klamotten kaufen, die er mir schuldet. Das würde mir eine fröhliche Weihnacht bescheren. Da könnte ich dann wirklich ›danke‹ sagen.«
    Schweigen.
    Als ich den zweiten Umschlag hervorkrame, sagt meine Mom: »Wir ›outen‹ dich offiziell.«
    »Im Namen deines Bruders«, sagt mein Dad, »haben wir die Mitgliedschaft bei FELS für dich erworben.«
    »Fels?«, sage ich.
    »Freundinnen, Freunde und Eltern von Lesben und Schwulen«, sagt meine Mom.
    Perry Como singt: »There’s No Place Like Home for the Holidays.«

    Schweigen.
    Meine Mutter erhebt sich aus ihrem Sessel und sagt: »Ich lauf mal schnell und hol die Bananen.« Sie sagt: »Nur zur Sicherheit, dein Vater und ich wollen unbedingt zusehen, wie du deine Geschenke anprobierst.«

13
    S pringt zu der Zeit um Mitternacht in Evies Haus, als ich Seth Thomas bei dem

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