Fratzenmond: Katinka Palfys dritter Fall (German Edition)
Glas ab.
Ein blonder Mann mit roter Schürze kam zu ihnen.
»Grüß Gott, Frau Faber.«
»Ich grüße Sie. Heute habe ich eine Verkosterkollegin dabei.« Alina Faber lächelte. Der kurze Moment verzauberte ihr Gesicht. »Ich nehme wie immer drei Kisten von dem chilenischen Merlot«, sagte Alina Faber weiter. »Mein Auto steht noch drüben am Friedhof.« Sie zog ihren Wagenschlüssel aus der Handtasche und überreichte ihn dem Verkäufer.
»Toller Service«, sagte Katinka, als er weg war.
»Hören Sie, ich kaufe hier Wein für mehrere tausend Euro im Jahr. Das gehört einfach dazu.«
Katinka staunte. Mehrere tausend Euro einfach versoffen, dachte sie.
»Hier, bedienen Sie sich.« Alina hielt ihr ein Tellerchen mit Crostini unter die Nase. Katinka nahm eines, hauptsächlich, um den Alkohol besser wegzustecken.
»Sie sind keine Weintrinkerin, nicht wahr?«
Katinka fragte: »Sie wollten mich sprechen, Frau Faber. Geht es um Ida?«
Alina Faber goss sich ein frisches Glas mit einem kirschroten Wein voll und leerte es. Katinka betrachtete nachdenklich ihr Gesicht. Das ganze sah ihr stark nach Alkoholismus aus.
»Ich weiß, dass Ida Sie engagiert hatte, Frau Palfy. Sie hat es mir gegenüber erwähnt. Natürlich hat auch die Polizei mit mir gesprochen, von wegen wo ich war, als Ida ermordet wurde. Ich habe mich mit meiner angeheirateten Tante sehr gut verstanden. Als meine Kinder noch klein waren, half sie mir oft als Babysitterin aus. Ich habe sie geliebt. Sie hatte ein Herz. Verstehen Sie, was ich meine? Sie hatte etwas, was in der Familie Hasseberg ansonsten nicht vorkommt.«
Katinka drehte ihr leeres Glas. Dann griff sie nach einer Flasche und goss sich nach.
»Gefühle, Liebe, Wärme, Humor«, zählte Alina Faber auf. »Davon leben wir doch. Ida war nie verheiratet, sie hat aber meinen Ex-Mann aufgezogen, nachdem dessen Eltern verunglückt waren. Er war damals gerade vier Jahre alt. Seiner Tante ist er wirklich zu großem Dank verpflichtet.«
Katinka probierte den neuen Wein, konnte aber keinen bedeutenden Unterschied zum Ersten feststellen. Alina schenkte sich nach und trank. Sie griff nach einem Crostino . »Er tat auch alles für sie. Auf seine Weise, das muss ich eingestehen. Er kümmerte sich um die formalen Dinge. Stress mit Handwerkern, Krankenkasse, was weiß ich. Aber fürs Emotionale, da hat der Herr Anwalt nichts übrig. Anstelle eines Herzens liegt da ein Gesetzbuch, eine dicke, kantige rote Schwarte.«
Der Verkäufer schob einen Sackkarren mit drei Kisten Wein aus dem Laden. Draußen zogen sich die Wolken dichter zusammen. Es würde gleich regnen.
»Wie ist das eigentlich mit Ihren Kindern?«, fragte Katinka.
»Sie stellen die richtigen Fragen.« Alina Faber lehnte sich an das Barbrett und zog die Kostümjacke aus. »Als ich mich scheiden ließ, blieben sie beim Vater. Eine traurige Geschichte. Er hat sie infiltriert und blockiert ihre Gefühle bis heute. Mich hat er zum Paria deklariert. Die unterste Kaste, die Nicht-Menschin. Ich bin verdammt allein, Frau Palfy. Verdammt allein.«
Katinka nahm noch ein Crostino .
»Wer war eigentlich die ältere Dame, die zu spät kam?«, fragte sie.
»Sieglinde Unruh.« Alina Faber grinste matt. »Ein Unikum, Idas beste Freundin. In etwa gleich alt wie Ida, aber verwitwet. Sie kam in Begleitung ihrer Tochter, wobei die Tochter, die übrigens nur 18 Jahre jünger ist als Sieglinde, ältlicher wirkt als die Mutter.«
Katinka hoffte, sie würde wie der Hauptkommissar imstande sein, alle Informationen im Kopf zu behalten. Sieglinde Unruh, repetierte sie. Mit 18 Mutter geworden. Unikum.
»Wieso Unikum?«
»Verabreden Sie sich doch einfach mal mit ihr«, schlug Alina Faber vor. »Dann kennen Sie den Grund. Sie ist absolut unnormal, im positiven Sinn. Völlig ungenormt. Was sie in den Augen ihrer Zeitgenossen allerdings verdächtig macht.«
Katinka trank noch mal von ihrem Wein. Plötzlich fühlte sie die Entspannung durch ihre Muskeln kriechen.
»Die Polizei sucht also Idas Mörder. Ich möchte Sie engagieren, Idas Erbe zu checken«, sagte Alina Faber.
»Dazu bin ich nicht in der Lage«, bedauerte Katinka nach einer kurzen Pause. »Sie müssen die Testamentseröffnung abwarten oder den Termin beim Nachlassgericht. Eine Privatdetektivin bekommt zu diesen Daten keinen Zugang. Allenfalls die Staatsanwaltschaft kann Einsicht nehmen. Aber auch nur mit einem richterlichen Beschluss.«
»Vergessen Sie’s. Ich meine nicht ihre Bankkonten. Ich meine ihr
Weitere Kostenlose Bücher