Fratzenmond: Katinka Palfys dritter Fall (German Edition)
Mansarde«, fuhr Katinka fort. »Sie zog vor nicht allzu langer Zeit aus. Ida meinte, weil sie mehr Selbständigkeit und Freiheit wollte. Das war, bevor die Spukereien losgingen.«
Katinka konnte förmlich sehen, wie Uttenreuther sich im Geist eine dicke Notiz machte. Rasch redete sie weiter: »Grit will Literatur studieren, ihr Vater will sie aber auf Jura lotsen. Es muss da diverse Verstimmungen gegeben haben. Eben hatte ich aber den Eindruck, dass Vater und Tochter ganz gut klarkommen.«
»Wie geht’s Ihnen eigentlich?«, fragte der Kommissar unvermittelt.
»Geht … passt schon«, antwortete Katinka verdutzt.
Uttenreuther machte einen Schwenk nach links.
»Kommen Sie hier lang«, sagte er.
Katinka folgte ihm. Die Trauergesellschaft verschwand aus ihrem Blickfeld, aber das konnte ihr egal sein. Sie hatte ohnehin nichts mehr mit der Sache zu tun. Allerdings würde ihr der Leichenschmaus der Verwandtschaft Gelegenheit geben, ein letztes Mal Idas Villa aufzusuchen. Sie überlegte gerade, wie sie aus dem Kommissar herauslocken konnte, ob in der Hainstraße noch Polizei anwesend war, als Uttenreuther stehen blieb. Er pflückte einige verfaulte Ahornblätter von einem Grab und rückte eine Schale mit herbstlichem Blumenschmuck zurecht. Katinka sah ihm erstaunt zu. Wer liegt hier begraben, wollte sie gerade fragen, denn keine Schrift zierte den rohen Findling an der oberen Seite des Grabes. Doch sie hielt den Mund. Uttenreuther stand da, die Hände vor dem Bauch verschränkt, und starrte unverwandt auf die roten Hagebutten in dem Gesteck.
Jäh wandte er sich zum Gehen. Katinka schloss schnell auf.
»Jemand, den Sie kennen?«, fragte sie und kam sich bescheuert vor. Er würde kaum ein fremdes Grab aufräumen.
»Ja.«
»Warum ist kein Name auf dem Stein?«
»Kommt noch«, sagte er.
Sie verabschiedeten sich auf dem Parkplatz. Katinka fühlte sich seltsam bedrückt durch den Besuch an dem anonymen Grab. Vielleicht seine Frau? Sie wusste ja so gar nichts vom Privatleben des Hauptkommissars. Es war lediglich ihre eigene Vermutung, dass er alleine lebte, und das nicht erst seit gestern.
Als sie ihr Rad an der Gärtnerei vorbeischob, hielt sie jemand am Gepäckträger fest.
»Warten Sie.«
Katinka drehte sich mehr erstaunt als erschrocken um.
»Frau Hasseberg?«
»Von wegen. Alina Faber ist mein Name. Ich habe nach meiner Scheidung meinen Mädchennamen wieder angenommen.«
Sie streckte Katinka die Hand entgegen. »Sie sind Frau Palfy?«
»Ja.« Katinka wartete ab.
»Ich habe Ihren Namen in der Kondolenzliste gelesen«, sagte sie. »Sie haben für Ida gearbeitet, oder?«
Katinka legte den Kopf schief.
»Ich muss Sie enttäuschen, aber das sind vertrauliche Informationen. Ich gebe nie einen Klienten preis, auch nicht, wenn er oder sie verstorben ist.«
Als sie geendet hatte, schoss ihr das Blut ins Gesicht. Ich sollte ihr kondolieren, dachte sie.
»Jedenfalls … mein Beileid, Frau Faber.« Sie kam sich ziemlich dusselig vor.
»Ida war meine angeheiratete Tante«, sagte Alina Faber, ohne auf Katinkas Kondolenz zu reagieren. »Das b este, was die Familie meines Mannes jemals zu bieten hatte. Und zu bieten haben wird. Können Sie eine halbe Stunde erübrigen?«
Katinka dachte an Idas Hausschlüssel in ihrer Tasche. Aber Alina Faber schien ihr interessanter.
»Klar!«, sagte sie.
»Gehen wir da rüber, zu Jacques Weindepot «, schlug Alina Faber vor. Sie marschierte spornstreichs auf die Ampel zu. »Ich brauche ohnehin ein paar Kisten Rotwein, und dort kann man nach Herzenslust verkosten und Schnittchen verzehren.«
Katinka folgte ihr über die Straße, schloss auf dem Parkplatz vor dem Weingeschäft ihr Rad ab und betrat hinter Alina Faber den Verkaufsraum.
Zielsicher ging Alina auf das Regal mit den südamerikanischen Weinen zu.
»Man sollte mit einer leichteren Sorte beginnen und dann zu den schwereren Weinen übergehen. So jedenfalls ist es für die Geschmacksknospen am angebrachtesten. Ja, hier.« Sie nahm zwei Weingläser von einem Wandhalter und goss sie zu einem Viertel mit Rotwein voll. »Probieren Sie. Auf Ida.«
Katinka schwenkte zweifelnd ihr Glas. Sie würde betrunken unter den Tisch fallen, wenn sie mehr als eine solche Portion austrank. Vorsichtig probierte sie einen Schluck.
»Er hat gesagt Nehmet und trinket . Nicht Nehmet und nippet !«, sagte Alina Faber. Sie nahm einen Mund voll und kaute. Ihre kräftige Kiefermuskulatur wurde sichtbar. Katinka zuckte die Achseln und stellte ihr
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